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SCHLAFSTÖRUNGEN SIND NICHT GLEICH SCHLAFSTÖRUNGEN

Abnorme Tagesschläfrigkeit - Schlafapnoe-Syndrom - Narkolepsie - Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus - Albträume - nächtliches Aufschreien - Schlafwandeln - ruhelose Beine - nächtliche Muskelzuckungen

Schlafstörungen nehmen zu. Man spricht von mindestens jedem Vierten: Frauen mehr als Männer, Ältere mehr als Jüngere, Tendenz steigend. Doch zu den Schlafstörungen gehören nicht nur Ein- und Durchschlafstörungen sowie Früherwachen. Dazu zählen auch die sogenannten Hypersomnien, also die abnorme Tagesschläfrigkeit, das Schlaf-Apnoe-Syndrom, die Narkolepsie usw., ferner Störungen des Schlafrhythmus (z.B. Schichtarbeit oder unvernünftige Lebensweise) sowie die Parasomnien (z.B. Albträume, nächtliches Aufschrecken, Schlafwandeln). Nicht zu vergessen die ruhelosen Beine oder gar Muskelzuckungen in der Nacht, die immer mehr Menschen betreffen. Kurz: Der gestörte Schlaf ist mehr als nur das allseits bekannte Schlaf-Defizit.

Der Mensch verschläft ein Drittel seines Lebens: nahezu 3.000 von den 8.760 Stunden eines Jahres, rund 24 Jahre im Durchschnitt eines menschlichen Daseins. Doch Schlafstörungen nehmen zu. Allein an der sogenannten Insomnie, also dem nächtlichen Schlafdefizit bis hin zur Schlaflosigkeit leiden in den westlichen Industrienationen 15 bis 25% der Bevölkerung. Davon mehr als die Hälfte so schwerwiegend, dass eine Behandlung unabdingbar sein sollte, denn die Konsequenzen für den nächsten Tag werden immer folgenschwerer (siehe unten). Dabei leiden drei Viertel darunter schon länger als ein Jahr - und in den meisten Fällen wird dies nicht einmal dem Hausarzt gestanden.

Der gestörte Schlaf und seine Folgen

Störungen des Schlafes: Einschlafschwierigkeiten, häufiges Kurzerwachen, lange Wachphasen, Früherwachen, unruhiger, flacher und unerholsamer Schlaf, geistige Überaktivität ("überdreht"), körperliche Anspannung, ja Erregung, vegetative Überreaktionen (Herzklopfen, Schwitzen).

Gestörte Tagesbefindlichkeit durch Schlafstörungen: ungewöhnliche Müdigkeit, innere Erregung, allgemeines Unwohlsein, Merk- und Konzentrationsstörungen, Leistungsschwäche, Reizbarkeit, Stimmungstief, Versagensängste, Muskelschmerzen, Angst vor der Nacht (Schlaf-Erwartungsangst) u.a.

Bei etwa je einem Drittel der Betroffenen geht die Schlafstörung auf
- eine organische Ursache
- eine seelische Ursache
- keinerlei fassbaren Grund zurück.

Was heißt das?

Schlafstörungen durch organische Leiden

Über die häufigsten körperlichen Ursachen einer Schlafstörung siehe Kasten (in alphabetischer Reihenfolge).

Die häufigsten körperlichen Ursachen einer Schlafstörung

- Augenerkrankungen (Blindheit, schmerzhaftes Augenleiden)
- Atemwegserkrankungen (Asthma bronchiale, respiratorische Insuffizienz)
- degenerative Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (Parkinson-Syndrom, Multiple Sklerose, Chorea Huntington, amyotrophe Lateralsklerose)
- endokrine und metabolische Störungen (Hyperthyreose, Diabetes mellitus, Hypokaliämie)
- Epilepsien
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, arterielle Hypertonie, Hypotonie)
- Hirnschäden und Hirntumoren
- hormonelle Störungen (Menopause, Schwangerschaft, menstruelles Syndrom, postpartales Syndrom)
- Infektionskrankheiten
- Juckreiz (Ekzem, Leberinsuffizienz, Polyneuropathie, Syphilis)
- Krebserkrankungen
- Leberkrankheiten (Leberzirrhose, Gallensteine)
- Magen-Darm-Erkrankungen (Gastritis, Duodenitis und Magen-Darm-Ulcera, Reflux-Ösophagitis, Obstipation, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Nierenerkrankungen (Niereninsuffizienz, Nierensteine)
- Meningoenzephalitis
- postoperative Syndrome (Schmerzzustände)

Die häufigsten seelischen Ursachen

Genauso häufig, wenn nicht öfter, wenngleich oft unerkannt bzw. nicht anerkannt (!), führen seelische und psychosoziale Ursachen zu einer Schlafstörung. Einzelheiten siehe unten.

Die häufigsten seelischen Ursachen einer Schlafstörung

- Angststörungen
- Demenz
- Depressionen
- Ess-Störungen
- manische Hochstimmung
- schizophrene Psychose
- u.a.

Was kann man tun?

Die Therapie ist einfach und schwer zugleich. Einfach, weil man im Grunde mit einer Schlaftablette erst einmal weiterkommt - aber eben nur fürs erste. Schwierig, weil bei den seelischen und organischen Auslösern das Grundleiden behandelt werden muss, und zwar erfolgreich, sonst führen die Schlafstörungen in einen Teufelskreis.

Noch problematischer wird es beim letzten Drittel, den sogenannten "primären Insomnien", bei denen sich keine körperliche oder seelische Ursache finden lässt. Hier sollte man auf jeden Fall einen Experten aufsuchen, und das bedeutet in der Regel ein Schlaflabor (von denen es aber inzwischen immer mehr und immer leistungsfähigere gibt).

Schlafstörungen durch Arzneimittel

Ein gern verdrängtes, weil leider auch nicht immer befriedigend lösbares Problem sind sogenannte substanzinduzierte Schlafstörungen - oder kurz: Schlaflosigkeit durch Chemie.

Tatsächlich kann eine Vielzahl sogenannter zentralnervös wirksamer Substanzen als unerwünschte Nebenwirkung Schlafstörungen auslösen. Das gilt zwar auch für Rauschdrogen, doch dort weiß man wenigstens was zu tun ist (aufhören). Was aber soll man machen, wenn man auf bestimmte Arzneimittel nicht verzichten kann - und dafür mit Schlafstörungen bezahlen muss.

Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen Facharzt (z.B. Orthopäden, Internisten) und einem in Schlafstörungen kundigen Psychiater unerlässlich. Nicht immer müssen nämlich die schlafstörenden Medikamente abgesetzt werden; manchmal reicht eine Dosis-Reduktion bzw. die Verlegung von den Abendstunden in den Vormittag, wenn dies möglich ist.

Einzelheiten über die wichtigsten schlafstörenden Substanzen siehe Kasten.

Arzneimittel mit möglicherweise schlafstörender Wirkung

- Antibiotika (z.B. Gyrase-Hemmer)
- Anticholinergika
- Antidepressiva (z.B. MAO-Hemmer, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer)
- Antihistaminika
- Antihypertensiva (z.B. Beta-Blocker, Calciumantagonisten, ACE-Hemmer, Clonidin, Urapidil)
- Appetitzügler
- Atemwegspräparate (z.B. Theophyllin)
- Benzodiazepin-Tranquilizer (bei Hochdosis-Abhängigkeit und Absetzen)
- Cortikosteroide
- Diuretika (z.B. durch nächtlichen Harndrang)
- Schlafmittel mit zu kurzer Wirkdauer
- Neuroleptika
- Nootropika bzw. Antidementiva
- Schilddrüsenhormone
- Sympathomimetika (z.B. in Kreislaufmitteln)
- Zytostatika
- u.a.

"Umgekehrte" Schlafstörungen

Es gibt aber nicht nur ein Zuwenig, es gibt auch ein Zuviel an Schlaf. So etwa nennt man eine Hypersomnie. Eine solche krankhafte Schläfrigkeit am Tage mit ggf. unwillkürlichen Einschlafattacken ist in der Mehrzahl organisch begründet. Nicht selten auch im Rahmen einer seelischen Störung, z.B. bei Depressionen, wahnhaften Erkrankungen u.a. Hier sollte man den Arztbesuch nicht hinauszögern. Was gehört dazu?

- Ein großen Problem ist das sogenannte Schlaf-Apnoe-Syndrom, die schlafbezogene Atmungsstörung. Sie ist die häufigste Ursache der Tagesschläfrigkeit geworden, charakterisiert durch folgende Symptome: nachts unruhiger Schlaf mit lautem und unregelmäßigem Schnarchen und immer wieder auftretenden Atempausen (die nur der Bettpartner registriert). Tags dafür erhöhte Schläfrigkeit mit (vor allem morgendlicher) Abgeschlagenheit, dumpf-diffusen Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Leistungsknick, Libido- und Potenzstörungen sowie einer Wesensänderung mit ggf. intellektuellem Leistungsverfall. Zusätzliche Symptome sind oft Adipositas (Fettsucht), Hochdruck und Herzrhythmusstörungen.

- Relativ selten, aber sehr beeinträchtigend ist die sogenannte Narkolepsie. Das sind imperative Einschlafattacken, d.h. eine plötzliche und vor allem unüberwindbare Schlafneigung, und sei es in den unmöglichsten Situationen. Immerhin wachen die Betroffenen nach kurzer Zeit wieder erfrischt auf, aber die Umgebung ist schockiert. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich eine andauernde Schläfrigkeit, die die Leistungsfähigkeit erheblich vermindert.

- Außerdem irritieren noch sonderbare Zusatz-Symptome: Dazu gehören kataplektische Attacken mit plötzlicher Erschlaffung der Muskeln bei vollem Bewusstsein (von den Gesichtszügen bis zu den Beinen). Auch drohen sogenannte hypnagoge Halluzinationen, d.h. lebhafte Sinneswahrnehmungen, meist optischer Art, die aber zu erheblichen Angst- und Schreckreaktionen führen können. Noch schlimmer ist die Schlafparalyse, bei der sich die Patienten nach dem Erwachen für einige Sekunden bis Minuten nicht mehr bewegen, ja nicht einmal ein Wort herausbringen können. Man kann sich vorstellen, was das für Patient und Angehörige, Freunde und Mitarbeiter bedeutet.

- Nicht ganz so dramatisch, auf Dauer aber überaus quälend, den Schlaf und schließlich auch den Tag ruinierend, sind nächtliche Muskelzuckungen und fortlaufende Beinbewegungen im Bett. Beim Syndrom der ruhelosen Beine (Fachausdruck: Restless-legs-Syndrom) handelt es sich um quälende Missempfindungen, die in Ruhe und vor allem vor dem Einschlafen auftreten und mit einem intensiven, unkorrigierbaren Bewegungsdrang einhergehen. Wer aufsteht und sich bewegt, kann diese Beschwerden etwas lindern - aber kommt auch nicht zum Schlafen.

- Das Gleiche gilt für die periodischen Bewegungen im Schlaf (Fachausdruck: nächtliche Myoklonien), die oftmals damit verbunden sind, d.h. rhythmische Streckbewegungen der Großzehen, teilweise auch Beugebewegungen im Fuß-, Knie- und Hüftgelenk. Auch dadurch ist nicht mehr an Schlaf zu denken. Die Folgen am nächsten Morgen kann man sich ausmalen.

Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus

Schlafprobleme entstehen auch dadurch, dass das individuelle Schlaf-Wach-Muster nicht mit dem erwünschten Schlaf-Wach-Rhythmus übereinstimmt. Nun sollte man meinen, dass die Natur, d.h. die physiologischen Schlafbedingungen Vorrang haben. Aber nicht für bestimmte Berufe. Und auch nicht für den "modernen Feierabend" und das Vergnügungsmuster der jungen Generation.

Denn der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr (Arthur Schopenhauer).

Zum einen gehört die Schichtarbeit: verminderte Leistungsfähigkeit, erhöhte Verletzungsrate und eine Neigung zu Herzerkrankungen oder Geschwüren der Magenschleimhaut. Zum anderen der abendliche Fernseh-Konsum, der sich immer mehr in Richtung Mitternacht ausdehnt (bei aber unverändert frühem Zwang zum Aufstehen). Und schließlich die Disco-Besuche und andere Vergnügungen der Jugend, die immer später beginnen und dadurch die Nacht zum Tag und den Tag zum Leistungs-Schwachpunkt machen, von späteren seelischen, psychosozialen und körperlichen Konsequenzen ganz zu schweigen.

Auch der Zeitzonenwechsel bei Flugreisen von Ost nach West und noch stärker von West nach Ost fordert seinen Tribut (jet-lag), ist dafür aber selten, wenn man nicht zu den (beruflichen) Viel-Fliegern gehört.

Schließlich gibt es noch weiter Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen (zumeist ungewöhnliche bzw. nach vorne oder hinten verschobene Schlafphasen mit entsprechenden Konsequenzen), die aber relativ selten sind, auf jeden Fall die Abklärung durch ein Schlaflabor nahe legen.

Spektakuläre Parasomnien

Am meisten Aufsehen erregen die sogenannten Parasomnien. Das sind abnorme Ereignisse, die entweder während des Schlafs oder an der Schwelle zwischen Wachsein und Schlafen auftreten. Was gehört dazu? Einzelheiten siehe Kasten.

Parasomnien

- Schlafwandeln (Somnambulismus): komplexe Verhaltensweisen im Schlaf, vom einfachen Aufsetzen bis zu konkreter Tätigkeit im Haushalt. Am Schluss Erinnerungslosigkeit.

- Albträume: relativ langes, vor allem angstbesetztes Traumerleben mit plötzlichem Erwachen und furchtsamer Erinnerung an den schrecklichen Traum.

- Pavor nocturnus: abruptes nächtliches Aufschrecken aus dem Tiefschlaf mit massiven Ängsten, z.T. Schreien, Umsichschlagen, auf jeden Fall Schweißausbrüchen und Herzrasen; und nach dem Erwecken verwirrt, desorientiert und ohne Erinnerung.

- Bruxismus (Zähneknirschen): rhythmisches Aufeinanderpressen und Verschieben der oberen und unteren Zahnreihen mit ggf. Mahlgeräuschen und entsprechenden Zahnveränderungen.

- Enuresis nocturna: wiederholtes unwillkürliches Einnässen im Schlaf bzw. am Übergang vom Schlaf zum Wachsein.

- Schlaftrunkenheit: nicht jeder ist nach dem Erwachen aus dem Tiefschlaf sofort "da". Doch hier handelt es sich um eine über Minuten bis Stunden dauernde Verwirrtheit, ja zeitliche und örtliche Desorientierung sowie geistige und körperliche Verlangsamung. Und keine Erinnerung danach.

- Jactatio capitis nocturna: rhythmische stereotype Bewegungen, vor allem des Kopfes und Nackens, im Übergang vom Einschlafen zum leichten Schlaf.

- Einschlafmyoklonien: plötzliche, kurze Bewegungen der Beine, manchmal auch der Arme und des Kopfes während des Einschlafens.

- Nächtliche Beinkrämpfe: schmerzhafte muskuläre Verspannungen, vor allem in den Waden.

- Schlafparalyse: unfähig zur willkürlichen Körperbewegung während des Einschlafens oder nach dem Erwachen (also im Gegensatz zur Narkolepsie an bestimmte Zeitpunkte gebunden).

- Schlafbezogene schmerzhafte Peniserektionen: meist beim Erwachen aus dem Schlaf, in der Regel mit bestimmten Traumerinnerungen verbunden. Kein Lustempfinden, sondern Schmerzen.

Schlafstörung ist nicht gleich Schlafstörung

Bei den Schlafstörungen ist es ein wenig wie bei den seelischen Störungen generell. Bei Letzeren denken alle an Geisteskrankheiten und übersehen, dass diese nur 1% ausmachen, gemessen an jedem viertem Bundesbürger, der sich mit irgend einer der anderen seelischen Störungen abquält. Aber noch immer meinen viele, nur die Schizophrenien und Suchtkrankheiten seien "seelisch", scheuen mit ihren Depressionen, psychosomatischen und Angst-Störungen, mit Ihren Krisen und Überforderungsreaktionen den Gang zum Arzt, untergraben damit die rechtzeitige Diagnose und Therapie und verschlechtern ihre Heilungsaussichten.

Und auch bei den Schlafstörungen wird nur langsam deutlich: Nicht alle Schlafstörungen sind mit einem Schlaf-Defizit verbunden. Und viele dieser Insomnien haben nicht nur seelische, sondern auch körperliche, ja medikamentöse Ursachen. Und eine wachsende Zahl leidet nicht an zu wenig, sondern an zu viel Schlaf, besonders zur falschen Zeit. Und das ist nicht nur lästig, es kann auch gefährlich werden.

Es sollten also viel mehr Betroffene zu der Erkenntnis gelangen: hier muss ich was tun. Und das ist der Gang zum Arzt, der dann ggf. den Facharzt bzw. das Schlaflabor hinzuzieht. Ein Gang der sich lohnt, gemessen an den seelischen, körperlichen und psychosozialen Konsequenzen einer Schlafstörung, insbesondere was Lebensqualität und Leistungsfähigkeit anbelangt (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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