Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
Die Wechseljahre und ihre psychosozialen FolgenViele Ursachen, vor allem auch mangelhafte Vorbereitung durch die Mutter?
Es mag überraschend klingen und erst einmal mit Erstaunen aufgenommen werden, aber die Wechseljahre oder das Klimakterium der Frau sind auch ein Phänomen unserer Zeit und Gesellschaft Denn im Gegensatz zu nicht wenigen asiatischen, afrikanischen und arabischen Kulturen wird der Frau in der westlichen Welt letztlich nur in jungen Jahren ein erstrebenswertes Image zugestanden. Im mittleren oder gar Rückbildungsalter ist man sich da nicht mehr so sicher. Das betrifft vor allem die Wechseljahre. So ist die Menopause, wie diese Zeit auch genannt wird, zwar überall biologisch verursacht und sicher auch in allen Kulturen nicht ohne körperliche Folgen. Doch die nicht unerheblichen seelischen und besonders psychosozialen Konsequenzen häufen sich offenbar bei uns. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Bild einer beispielsweise 50-jährigen Frau für junge Leute scheinbar wenig Anziehendes hat - früher wie heute. Und dies sonderbarerweise im Gegensatz zum Mann gleichen Alters, der sich hier sogar noch in den "besten Jahren" wähnen darf (Einzelheiten zum "Klimakterium des Mannes" siehe später). Da aber das werbepsychologisch aufgezwungene Ideal unserer Zeit die Jugend ist, die mit allen Mitteln verlängert werden soll, hat die Frau in der "Mitte Ihres Lebens" schon psychologisch einen schweren Stand. So kommt eines zum anderen, nämlich die biologischen und eigentlich physiologischen, d.h. normalen Funktionsabläufe sowie die psychologischen Belastungen, die aus der entsprechenden gesellschaftlichen Einstellung erwachsen - und beides zusammen oft doppelt beschwerlich. Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht zum Thema: Wechseljahre und psychosoziale Folgen. Eine ausführliche Darstellung findet sich in dieser Internet-Serie unter der Sparte Psychiatrie heute und dem Kapitel Klimakterium und psychosoziale Folgen. Wie häufig sind klimakterische Beschwerden? Etwa jede zehnte Frau steht in den Wechseljahren. Dreiviertel davon sind während dieser Menopause seelischen, psychosozialen und körperlichen Befindensschwankungen oder Beschwerden unterschiedlicher Intensität ausgesetzt. Was belastet am häufigsten? Das Beschwerdebild: körperlich, seelisch, psychosozial - Unter den körperlichen Beeinträchtigungen stehen an erster Stelle Hitzewallungen und kalte Schweißausbrüche. Beide äußern sich meist nachts und verstärken dadurch die Schlafstörungen, ein Leiden, das ohnehin das weibliche Geschlecht ab dieser Zeit noch häufiger betrifft als sonst. Daneben belasten Kopf- und Gelenkschmerzen, Herzklopfen, Schwindelgefühle, Atemenge u.a. Auch in sexueller Hinsicht kann es Probleme geben, vor allem eine nachlassende Libido (sexuelle Lust und damit auch Aktivität). - Neben diesen in der Tat überaus lästigen körperlichen Symptomen gilt es aber auch in vielen Fällen seelische und geistige Beeinträchtigungen durchzustehen: Das sind zum einen eine ausgeprägte Gemütslabilität mit vermehrter Weinerlichkeit , ferner länger anhaltende traurige Verstimmungen, verstärkte Ängstlichkeit bis längere Angstzustände und vor allem - zahlenmäßig wahrscheinlich am häufigsten - eine vermehrte innere Unruhe, Anspannung, Nervosität, ja Reizbarkeit bis (unterschwellige) Aggressivität. Zermürbend ist auch eine rasche körperliche oder treffender: seelisch-körperliche Erschöpfbarkeit bzw. länger anhaltende Mattigkeit. Sehr beeinträchtigend sind in geistiger Hinsicht auch Merk- und Konzentrationsstörung bis hin zur peinlichen Vergesslichkeit und eine zunehmende Interesselosigkeit. - Nicht zu unterschätzen sind aber die psychosozialen Belastungen: Meist sind sie zwar vorhersehbar, in der Mehrzahl der Fälle sogar erwünscht, pflegen aber trotzdem das Leben nachhaltig zu verändern, die Lebensfreude zu trüben und vor zahlreichen Schwierigkeiten und vor allem Entscheidungen zu stellen: Dazu gehört nicht zuletzt das sogenannte "Leere-Nest-Syndrom", d.h. nach und nach verlassen auch die jüngsten Kinder das Haus. Dafür droht ggf. die Pflegebedürftigkeit der Eltern oder Schwiegereltern mit stress-intensiven, oft langfristigen Aufgaben, die zudem - üblicherweise - in keiner Weise gewürdigt werden. In Einzelfällen kann es auch zu einer Entfremdung der Partner kommen, vielleicht sogar zu Trennungs- und Scheidungsüberlegungen, was wiederum mit so manchen seelischen und vor allem körperlichen Folgen zusammenhängt. Dazu gehört z. B. die subjektive (oft gar nicht zutreffende) Meinung, man habe an Attraktivität eingebüßt, sei durch den Verlust der Fertilität (Fruchtbarkeit) nicht mehr "vollwertig", sexuell nicht mehr begehrlich u.a. Vielleicht gilt es auch das Berufsleben neu zu strukturieren, z. B. von der reinen Hausfrau oder Hausfrau-Halbtagsaufgabe zurück in die volle Berufstätigkeit - oder jetzt ausschließlich "zu Hause". Und oft drängen sich jetzt auch lebens-philosophische Fragen auf, vor allem die "Endlichkeit der eigenen Existenz", wenn nicht gar der Gedanke, man müsse sich langsam auch einmal mit dem Tod beschäftigen ("die Sanduhr rinnt").
Welche Gemütserkrankungen gibt es im Klimakterium? Die meisten Frauen kommen mit diesen seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen und ihren psychosozialen Konsequenzen befriedigend zurecht. Es gibt aber auch ernstere Krankheitszustände, die man heute in zwei große Gruppen unterteilt: 1. Das sogenannte perimenopausale dysphorische Syndrom Was versteht man darunter? · Unter einem perimenopausalen dysphorischen Syndrom versteht man ein durch hormonelle Veränderungen ausgelöstes Zustandsbild, das die bereits erwähnten Symptome (in abnehmender Häufigkeit) einschließt: Erhöhte Reizbarkeit, Weinerlichkeit, Angstzustände, Gemütslabilität, traurige Verstimmungen, Merk- und Konzentrationsstörungen, Interesselosigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, Schlafstörungen und nachlassende Libido. · Davon abzugrenzen ist nach Meinung mancher Fachleute die sogenannte perimenopausale Depression. Hier herrschen offenbar andere Bedingungen, und zwar sowohl nach Ursache als auch Schweregrad des Leidens: So finden sich nicht nur eindeutige Depressions-Symptome, also traurige Verstimmung, Niedergeschlagenheit, Resignation und Gemütslabilität, sondern auch eine ausgeprägte seelische und körperliche "Herabgestimmtheit", ferner Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Entscheidungsunfähigkeit, Gedankenkreisen und Grübelsucht, oft auch Antriebsarmut, Willens- und Denkhemmung, schließlich Selbstvorwürfe, ja Lebensüberdruss u.a. Und eine Vielzahl körperlicher oder treffender: psychosomatischer Beschwerden im Bereich von Kopf, Herz-Kreislauf, Atmung, Magen-Darm, Wirbelsäule und Gelenken, vegetativen Funktionen u.a. Dabei scheint sich folgende Erkenntnis durchzusetzen:
Was kann man medikamentös tun? In therapeutischer, vor allem medikamentöser Hinsicht gilt es als erstes zu unterscheiden zwischen dem meist leichteren perimenopausalen dysphorischen Syndrom und der schwereren Depression in diesem Lebensabschnitt. Danach bieten sich in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ärzten (Allgemeinmedizin bzw. Hausarzt, Gynäkologie und Psychiatrie) folgende Behandlungsstrategien an: 1. eine Hormon-Substitutionstherapie (also Ersatz der langsam auslaufenden weiblichen Sexualhormone) Einzelheiten dazu siehe die Internet-Serie Psychiatrie heute mit dem Kapitel Klimakterium und psychosoziale Folgen bzw. die entsprechende Fachliteratur. Was kann man psychologisch tun? Zu den sogenannten nicht-medikamentösen Behandlungsvorschlägen bei einem solchen Menopausen-Syndrom gehören eine Reihe von Empfehlungen, die auf den ersten Blick nicht sonderlich eindrucksvoll wirken. Das geht aber meist darauf zurück, dass hier nicht nur Medikamente geschluckt werden sollen, sondern eine entsprechende Eigen-Initiative gefordert ist. Und dies wird gerne dadurch unterlaufen, dass man solche Empfehlungen nicht ernst nimmt oder gar lächerlich macht. Das ist allerdings eine "selbst-gewählte Sackgasse", das sollte man sich gut überlegen. Was kann also durchaus sinnvoll sein, wenn man es konsequent nutzt?
Und was man nicht vergessen sollte: rechtzeitige Vorbereitung für die Tochter Ein weiterer, kaum beachteter, aber bedeutsamer Faktor ist die mangelhafte Vorbereitung auf diesen wahrhaftig nicht unwichtigen Teil des Lebens, der ab den Wechseljahren beginnt: In der Tat wird die Frau in unserer Gesellschaft nicht auf diesen Lebensabschnitt vorbereitet, jedenfalls nicht grundsätzlich, ausreichend und hilfreich. Alles zielt auf die Ausbildung in Beruf, Haushalt und vor allem Mutterschaft ab. Leider bleibt dabei offenbar nicht viel übrig für den wichtigsten Abschnitt im Leben der reifen Frau, in der sowohl biologische, als auch psychologische, vor allem aber partnerschaftliche, familiäre und oft auch berufliche Änderungen von einschneidender Bedeutung zusammenfallen. Damit - so glaubt man offenbar - müsse jede Frau selber fertig werden, sie sei ja nun "erwachsen genug". Dabei wird gerne die alte Erkenntnis vergessen: Lernen und vorbereiten kann man sich am besten zuvor. Nicht oder nur unzureichend hingegen in der kritischen Phase selber, was ja viel Zeit, Kraft und Reserven kostet.
(Prof. Dr. med. Volker Faust) |
Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).