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PLANZENMITTEL GEGEN ALZHEIMER: GINKGO BILOBA

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Die Demenz, die erworbene Geistesschwäche, und hier vor allem die Alzheimer´sche Krankheit nehmen zu. Das hängt nicht zuletzt mit der gestiegenen Lebenserwartung zusammen. Die therapeutischen Möglichkeiten sind begrenzt. Am besten wirkt ein Gesamtbehandlungsplan, doch der ist aufwendig. Deshalb konzentrieren sich die Hoffnungen immer mehr auf die Pharmakotherapie mit entsprechenden Arzneimitteln. Die bisherige Entwicklung ist erfreulich. Doch tut man gut daran, die älteste Substanz gegen hirnorganisch bedingte Leistungsstörungen nicht zu vergessen: Ginkgo biloba.

In den meisten Industrienationen leiden etwa 5 bis 8 % der über 65jährigen an mäßig schweren bis schweren Formen von Demenz (erworbene Geistesschwäche). In Deutschland sind das etwa 1,2 bis 1,5 Millionen, wahrscheinlich aber mehr. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Patient eine Reihe von Angehörigen belastet, und zwar mit zunehmender Erkrankung immer nachhaltiger (insbesondere Töchter und Schwiegertöchter), dann kann man sich das psychosoziale Ausmaß dieses Leidens kaum mehr vorstellen. Tendenz steigend.

Die therapeutischen Möglichkeiten sind allerdings vielfältiger, als allgemein vermutet, wenngleich natürlich aufwendig. Dabei werden die medikamentösen Angebote oft in Frage gestellt. Dafür verweist man gerne auf Milieutherapie, Psycho- und Soziotherapie, insbesondere verhaltenstherapeutische Techniken, tiefenpsychologische Behandlungsformen, Realitätsorientierung, Musik- und Kunsttherapie, Leistungstraining, körperliche Aktivität, physikalische und Hydrotherapie u. a. Diese sind in der Tat hilfreich, besonders wenn man sie konsequent nützt, vor allem möglichst früh. Sie sind aber auch überaus aufwendig und kommen nur einem Teil der Betroffenen zu Gute. Letztlich bleibt die Hauptlast bei den pflegenden Angehörigen hängen.

Deshalb bekommt die medikamentöse Behandlungssäule wieder Auftrieb. Und in der Tat: Neue Produkte drängen auf den Markt, befinden sich kurz vor der Zulassung oder haben das letzte Entwicklungsstadium erreicht. Die Zukunft wird zeigen, ob sich darunter eine effektive Unterstützung/Erleichterung mit erträglichen Nebenwirkungen oder gar ein therapeutischer Durchbruch befindet. Bis dahin wird man auf die bisher verfügbaren Nootropika oder - wie man das heute nennt - Antidementiva zurückgreifen, also jene Substanzen, die die höheren geistigen Funktionen verbessern helfen. Das älteste von ihnen ist ein Pflanzenheilmittel: Ginkgo biloba.

"Edel-Placebo" oder Jahrtausende altes Heilmittel?

Allerdings gibt es kaum ein pharmakologisches Diskussions-Feld, das so kontrovers und stellenweise so heftig ausgetragen wird wie bei den Antidementiva im Allgemeinen und Ginkgo biloba im Speziellen.

Handelt es sich hier um ein "teures Edel-Placebo" (also letztlich wirkungsloses Schein-Medikament) oder um eine effektive Hilfe aus der Natur? Die Antwort ist schwer und muss vor allem differenzierter gesehen werden:

Auch die Befürworter der Nootropika verkennen nicht die Begrenztheit ihrer Therapieerfolge. Tatsächlich erreichen nur einige wenige Substanzen in wissenschaftlich tragbaren Studien eine halbwegs akzeptable Erfolgsrate. Bei Ginkgo biloba sind es etwa 15 bis 25, maximal 30 % aller Fälle, die zufrieden sein können. Das erscheint auf den ersten Blick nicht sehr ermutigend. Allerdings sind das Durchschnittswerte. Die Ergebnisse streuen nämlich ganz erheblich. Sie reichen von "keinerlei Besserung" bis zur "spürbaren Erleichterung in dieser oder jener Alltagssituation. Offenbar können also nur relativ wenige Patienten halbwegs zufrieden sein. Doch wer dazugehört, der mag sich glücklich schätzen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Behandlung langfristig, hoch genug dosiert und so früh wie möglich erfolgt - und vor allem im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans (s. o.).

Immerhin hat Ginkgo biloba noch einen speziellen Vorteil. Es zeichnet sich nicht nur durch eine vergleichbare Wirksamkeit gegenüber den synthetischen Nootropika aus, es wirkt auch praktisch auf alle Demenzformen, also sogenannte primäre wie sekundäre. Und es hat deutlich weniger Nebenwirkungen als die meisten Antidementiva, insbesondere die chemischen Neuzulassungen.

Als Arzneistoffe werden heute vor allem zwei definierte Spezialextrakte von Ginkgo biloba (EGb 761 und Li 1370) verwendet, denen auch die zuständige Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes folgende Heilanzeigen zuerkennt: symptomatische Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen (im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes!), Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten (Claudicatio intermittens) sowie Schwindel und Tinnitus (Ohrgeräusche) vaskulärer (gefäßbedingter) und involutiver Ursache (Rückbildungsalter). Die Behandlungsdauer soll mindestens 8 Wochen dauern (was natürlich viel zu wenig ist, besonders bei einer dementiellen Entwicklung). Unerwünschte Begleiterscheinungen sind selten (meist leichte Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Schwindel, Herzklopfen und allergische Hautreaktionen). Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Gegenanzeigen sind nicht bekannt.

Die Demenz ist eine schwere Bürde, und zwar für alle: Patient, Angehörige, sonstige Verwandte, Freunde, Nachbarn und sogar den betreuenden Arzt.

Deshalb gilt die alte Hausarzt-Regel: Geduld, Geduld und sich nicht anstecken lassen. Und Freude an kleinen Fortschritten. Und den für die Betreuung entscheidenden Angehörigen die Hälfte der verfügbaren Zeit und Kraft widmen (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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