Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
ALKOHOLKRANKHEITKurzfassung: Definition – Typologien – seelisches, körperliches und psychosoziales Beschwerdebild – Entzugserscheinungen – Ursachen – Verlauf – Alkohol-Folgeschäden – Therapie – u. a.
Bei der Alkoholkrankheit unterscheidet man Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit. Im Einzelnen (nach der Internationalen Klassifikation Psychischer Störungen – ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation - WHO): Alkoholmissbrauch
Alkoholabhängigkeit
Unter Alkoholismus im engeren Sinne versteht man heute nur noch die Alkoholabhängigkeit.
Zur Typologie der Alkoholkrankheit Von den verschiedenen Typologien der Alkoholkrankheit hat sich nachfolgende am ehesten durchgesetzt: Alphatrinker: „Konflikttrinker“, „Erleichterungstrinker“. Ihnen vermittelt der Alkohol Sicherheit, Entspannung, Zufriedenheit. Trinken deshalb hauptsächlich aus psychologischen Gründen (z. B. Frustration, Stress). Können im Allgemeinen jedoch jederzeit mit Trinken aufhören. Beta-Trinker: „Gelegenheitstrinker“. Gefährdet durch die vorherrschenden Trinksitten, geraten nicht selten in einen regelmäßigen Missbrauch aus Gewohnheit. Trinken vorwiegend aus sozialen Gründen (z. B. Feier, Verführung durch Kollegen). Eine Abhängigkeit tritt - wenn überhaupt - erst relativ spät auf. Auch sie können im Allgemeinen jederzeit den Alkoholkonsum beenden, wenngleich körperliche Störungen möglich sind. Gamma-Trinker: „süchtige Trinker“. Häufig überhöhter Alkoholkonsum aus „innerem Zwang“. Sind seelisch und körperlich abhängig und haben keine Kontrolle mehr über ihr Trinkverhalten (wenngleich gelegentlich Fähigkeit zur kurzdauernden Abstinenz). Die kleinste Alkoholmenge kann sofort unstillbares Verlangen auslösen (Alkohol in Suppe, Cognac-Bohnen). Delta-Trinker: „Gewohnheitstrinker“. Kontinuierlicher, gleichmäßiger, aber deutlich überhöhter Alkoholkonsum ohne Verlust der Selbstkontrolle („Alkohol-Imprägnation“). Keine Fähigkeit zur Abstinenz, vor allem wegen drohender Entzugserscheinungen. Man nennt sie auch „Spiegeltrinker", weil sie für ihr Wohlbefinden einen bestimmten Alkoholspiegel benötigen. Epsilon-Trinker: „episodische Trinker“, „Quartalsäufer“. Periodische schwerste Alkoholexzesse mit entsprechenden Konsequenzen, meist auf sozialem Gebiet, die mit längeren, oft wochenlangen Perioden von Abstinenz oder sozial akzeptiertem Trinken abwechseln. Selten. Kann sich auch um immer wiederkehrende Depressionen handeln, die durch die verhängnisvolle „Alkohol-Therapie“ behandelt werden sollen. Eine weitere Unterscheidung differenziert in
Das Beschwerdebild der Alkoholkrankheit: lange Zeit nicht durchschaubar Man muss sich von dem Gedanken befreien, dass der Alkoholabhängige ein lustiger Zecher sei, der sich aus dem Leben eine Gaudi macht, indem er häufig mal ein Schnäpschen, ein Bier, ein Gläschen Wein zu sich nimmt. Der Alkoholkranke lebt - im Gegensatz zum lustigen Zecher - ein erbärmliches Leben. Je nachdem, wieweit der Zustand schon gediehen ist, ahnt oder weiß er das auch und ist aus diesen Gründen auf eine täuschende Fassade angewiesen. Dies macht seinem Umfeld, ja sogar dem Arzt ohne zuverlässige Fremd-Hinweise eine Früherkennung schwer - zu Lasten des Betroffenen, der sich noch gar nicht als krank erkennt, geschweige denn akzeptiert. So kommen solche Patienten naturgemäß nicht wegen ihres Alkoholkonsums, sondern wegen Kreislaufbeschwerden, Nervosität, Angstzuständen, Zittern, Weinkrämpfen, Appetitstörungen mit morgendlichem Erbrechen und Gewichtsverlust, wegen Kollapszuständen und anderen Klagen in die Sprechstunde. In seelischer Hinsicht vermag sich der Alkoholkranke dagegen erstaunlich lange zusammenzunehmen - zumindest außerhalb der Familie und am besten vor Fremden. Dabei kann er einen unauffälligen, ja sogar geist- und humorvollen Eindruck machen, obgleich er zu Hause bereits die erbärmlichsten Szenen geboten hat. Aus diesem Grunde dürfte es vor allem dem Laien schwer fallen, jene seelischen und psychosozialen Folgeerscheinungen zu ernennen, die der Facharzt schließlich festzustellen hat: Störungen von Gedächtnis und Auffassungsgabe, wachsende geistige Ermüdbarkeit, mangelnde Beherrschung (Gemütslabilität) wie plötzliche Freude, Trauer, Wut und Zorn. Und Willensschwäche, erhöhte Suggestibilität (Beeinflussbarkeit), Oberflächlichkeit, Überbereitwilligkeit, ein etwas flacher und distanzloser Galgenhumor, die Überempfindlichkeit, wenn insbesondere die eigene Person in Frage gestellt wird usw. Dazu eine erstaunliche Interesselosigkeit, die bis zur Gleichgültigkeit und schließlich Verwahrlosung führen kann. Das ist zwar am Schluss nicht mehr zu übersehen, doch bei den verzweifelten Versuchen des Kranken, möglichst nicht aufzufallen, lange Zeit meist auch schwer einzuordnen. Natürlich wird die direkte Frage nach dem Alkoholkonsum nicht einmal dem Arzt exakt beantwortet, von der bekannten „Flasche Bier zum Abendessen“ oder dem „Gläschen Rotwein“ einmal abgesehen. Im Gegenteil: Die bloße Erwähnung des Wortes Alkohol weckt in dem Kranken oftmals bereits Panik, Wut und Verzweiflung und lässt dann jeden weiteren Kontakt ersterben. Der Alkoholiker ist lieber auf der Flucht und damit in Gefahr sich gänzlich zurückzuziehen und in die Isolation zu geraten, als auch nur einen Fußbreit zuzugestehen, dass er sich bereits in den Fängen der Alkoholkrankheit befindet. Deshalb ist es ausgesprochen schwer, einen gesellschaftlich noch halbwegs integrierten Alkoholkranken (rechtzeitig) zu erkennen. Dies ist auch einer jener Gründe, weshalb selbst hilfsbereite Mitmenschen das Los eines Alkoholikers kaum lindern können. Es wäre jedoch ein großer Vorteil, wenn sich durch die verbesserte Allgemeinkenntnis hier etwas bewegen ließe, und zwar rechtzeitig. Und dies heißt: Gibt es seelische, körperliche und psychosoziale Hinweise, die an eine verborgene (verheimlichte) Alkoholkrankheit denken lassen könnten? Doch schon diese vorsichtig formulierte Frage legt etwas nahe, was vor allem der Laie berücksichtigen sollte: Zurückhaltung, was voreilige Verdächtigungen anbelangt (denn so interpretiert es natürlich der Betroffene, je stärker bereits beeinträchtigt, desto heftiger). Deshalb die Mahnung zu Beginn der nachfolgenden Aufzählungen:
Denn jedes Leben nimmt seinen eigengesetzlichen Verlauf, auch unter dem Einfluss von Alkohol, Rauschdrogen, Arzneimitteln u. a. Gewisse seelische, körperliche und Verhaltensauffälligkeiten finden sich allerdings immer wieder. Aus diesem Grunde sollte man lernen insbesondere auf die Anfänge zu achten. Doch so wichtig das ruhige, sachliche und um Objektivität bemühte Registrieren (nicht Diagnostizieren, das ist Sache des Arztes) entsprechender Verdachtsmomente ist, so wenig darf man dem Irrtum verfallen, mit einigen - noch so zwingend erscheinenden - Hinweisen seine „Privatdiagnose Alkoholismus“ bereits gesichert zu wissen. Bei fortgeschrittener Erkrankung mit untrüglichen Zeichen ist die Situation zwar eindeutiger, dafür aber für eine Frühdiagnose mit rechtzeitigem Eingreifen von fachlicher Seite schon zu spät. Deshalb muss man sich merken:
Aus diesem Grunde empfehlen sich trotz aller Wachsamkeit: Zurückhaltung, bedachtes Vorgehen, geschickte und verständnisvolle Kontaktaufnahme und schließlich ein konsequentes Durchhalten der notwendigen therapeutischen Schritte. Die Wirklichkeit stellt sich allerdings meist anders dar: Hier überwiegen Ungeduld, Resignation, Beschuldigungen, bittere Vorwürfe, heftige Auseinandersetzungen, handfeste aggressive Durchbrüche, tragische Familieszenen, Vertrauensschwund, Entfremdung oder gar Entzweiung von Partnern, Eltern, Geschwistern, Freunden, kurz: eine Belastung schwerster Art für alle Beteiligten. Nachfolgend nun entsprechende Hinweise auf ein alkoholbedingtes Beschwerdebild, sofern andere Ursachen ausgeschlossen werden konnten, da es sich um ein vielschichtiges und damit mehrdeutiges Leiden handelt.
Gerade auf seelischem Gebiet sind die Hinweise besonders vieldeutig. Da man jedoch keine große Auswahl hat, muss man auch diese in seine Überlegungen einfügen. Jede Beobachtung ist sinnvoll, jede Erkenntnis nützlich, sofern sie nicht vorschnell oder taktisch ungeschickt verbaut wird. Allerdings muss man auch eingestehen: Den seelischen Symptomen kommt - zumindest aus der Sicht der Laien - im Allgemeinen der geringste Beweiswert zu. Hier ist die Zahl der möglichen nicht-alkoholbedingten Hintergründe am größten. Oder mit anderen Worten: Gerade auf seelischem Gebiet können die nachfolgenden Symptome auf eine Vielzahl von Belastungen, Sorgen, Kümmernissen, partnerschaftlichen, nachbarschaftlichen, beruflichen, gesellschaftlichen Einbußen oder Schicksalsschlägen zurückgehen. Also Vorsicht, aber keine vorschnelle Resignation. Denn jedes Symptom hat ja auch eine Ursache, woher auch immer, und die gilt es zu ergründen und zu lindern, ob mit oder ohne Alkohol-Beteiligung. Also nochmals: Was kann auf eine Alkoholkrankheit hinweisen, sofern andere Ursachen ausgeschlossen wurden? - Zum Beispiel in zunehmender und früher so nicht deutlicher Ausprägung: innere Unruhe, Nervosität, Fahrigkeit, Gespanntheit, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Aggressivität u. a. - Ein- und Durchschlafstörungen, unruhiger Schlaf, Schreckträume, häufig nassgeschwitztes Erwachen - Depressive Stimmungsschwankungen („Alkohol als Selbsttherapie“), Ängstlichkeit - Minderwertigkeitsgefühle, nicht selten durch großspuriges Auftreten überdeckt - Merk- und Konzentrationsstörungen, Nachlassen von Gedächtnis und Auffassungsgabe, unerklärliche Erinnerungslücken („und er behauptet fest, er weiß von nichts“ - siehe auch die Abhängigkeit von Schlaf- und Beruhigungsmitteln vom Typ der Benzodiazepine im Kapitel Medikamenten-Abhängigkeit) - Beginnende Interesselosigkeit und Neigung zu Rückzug und Isolation (s. u.) - Rührseligkeit, Überempfindlichkeit, rasche Kränkbarkeit - Willensschwäche, erhöhte Beeinflussbarkeit, Überbereitwilligkeit, dabei aber oberflächlich und wenig zuverlässig („sagt nicht nein, hält aber auch kein Versprechen“) - Etwas distanzloser Humor, flaches, unbegründetes Glücksgefühl, kumpelhaft-anbiederndes Verhalten - Ausgeprägte Verheimlichungs- und Täuschungsneigung mit häufig geschickten Beschönigungs-Versuchen.
So unverständlich sich die seelischen und körperlichen (siehe später) Folgen für die Umgebung und so quälend für den Betroffenen darstellen können, so ist doch nichts so verwirrend und gelegentlich deprimierend wie manche Verhaltensänderungen im zwischenmenschlichen Bereich. Allerdings muss man gerade hier berücksichtigen, dass derlei nicht nur bei Alkohol, Rauschdrogen u. a., sondern auch bei einer normal-psychologischen Entwicklung mit ihren vielfältigen Krisenzeiten und zwar in jeder Altersstufe vorkommen kann (Pubertät, Nach-Pubertät des Heranwachsenden, Berufs- und Partnerfindung, „Stress in den besten Jahren“, Wechseljahre (die auch den Mann betreffen, wenngleich mit einer zeitlichen Phasen-Verschiebung), Rückbildungsalter u. a.). Gleichwohl ist gerade dieses Gebiet besonders ergiebig für entsprechende Beobachtungen, die in der Regel Partner, Eltern, Geschwister, Freunde, Arbeitskollegen, Vorgesetzte u. a. als Erstes aufhorchen lassen. Die Entscheidung, einen entgleisten Alkoholkonsum zu unterstellen, sollte aber nie aufgrund einer einzelnen Verhaltensauffälligkeit gefällt werden und - wie erwähnt - schon gar nicht ohne die Unterstützung eines Experten, obgleich das gerade auf diesem Gebiet besonders verlockend erscheint („jetzt wissen wir es“, „jetzt haben wir ihn“). Nachfolgend einige Hinweise bezüglich Verdacht auf alkoholbedingte Verhaltensauffälligkeiten: - Wachsende Tendenz, Unannehmlichkeiten zu verdrängen, in Abrede zu stellen oder zumindest zu bagatellisieren - Geschickte (nach einiger Zeit aber durchschaubare) Art, von Problemen, Misserfolgen, schuldhaftem Vergehen u. a. abzulenken oder die anderen auf eine falsche Fährte zu locken - Versuch, die Schuld überhaupt nicht oder höchsten zum kleineren Teil bei sich selber zu suchen, wenn es sich um zwischenmenschliche Probleme mit Partner, Kindern, Nachbarn, Arbeitskollegen u. a. handelt - Krampfhaftes Meiden von Themen, die um Alkohol kreisen, Entrüstung bei entsprechenden Anspielungen - Zunehmende Isolierung und Einengung der Interessensphäre, gestörte Partnerbeziehung, Vereinsamung, dadurch Gefahr des „ungestörten“ Trinkens bis zum Rausch in den eigenen vier Wänden („4-Wände-Trinken“)
- Anlegen von heimlichen Alkohol-Reserven in allen möglichen und unmöglichen Formen: Flaschen im Papier- und Wäschekorb, in leeren Vasen und Töpfen, hinter Buchreihen, in Schubladen und Schränken, auf Dachboden, in Keller, Garage, Gartenhaus usw., im Kofferraum, aber auch abgefüllt in allen möglicher Behältnissen einschließlich Schläuchen, Kanistern u.a.m. - Nächtliches Beseitigen von Flaschen-Batterien mit ausgeprägten Schuldgefühlen (aber gereizt in Abrede stellend, falls man dabei ertappt wird) - Dezente Zeichen mangelnder Hygiene und beginnender Verwahrlosung, die mit dem früheren Bild des Betroffenen nicht in Einklang zu bringen sind und immer unübersehbarer werden
Hinweise auf körperlichem Gebiet können natürlich beweiskräftiger sein. Dies betrifft nicht nur einen einzelnen Rauschzustand, das geht auf eine Vielzahl von möglichen Auffälligkeiten zurück. Doch selbst das kann - streng genommen - auch andere Ursachen haben. Wer jedoch erst auf massive körperliche Auffälligkeiten hin reagiert, hat in der Regel schon viel Zeit verloren. Hier kann es dann im Interesse des Betroffenen geboten sein, seine Anstrengungen zu intensiveren, um so schnell wie möglich die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Nicht nur der Rauschdrogenkonsum, auch der Alkoholismus macht einen anderen Menschen aus seinem Opfer, keinen schlechten, sondern einen kranken (Mitunter fällt es allerdings schwer, diese Erkenntnis zu akzeptieren und danach zu handeln...) Welches sind nun die wichtigsten körperlichen Symptome, die an eine Alkoholkrankheit erinnern können, sofern - wie erwähnt - andere Ursachen ausgeschlossen wurden: - So genannte Tremor-Trias: erst feinschlägiges, dann stärkeres Zittern von geschlossenen Lidern, herausgestreckter Zunge, gespreizten Fingern, später evtl. sogar von Armen und Kopf - Appetitstörungen (besonders morgens: „keine Zeit zum Frühstücken“), trotzdem anfangs Gewichtszunahme (Alkohol-Kalorien), später deutlicher Gewichtsverlust, bis hin zur Abmagerung - Verdauungsbeschwerden aller Art, vor allem anhaltende Verstopfung oder noch häufiger wässriger Durchfall, ferner Blähungen, Völlegefühl, Aufstoßen (Schädigung von Magen und Darm, Leber und Bauchspeicheldrüse) - Übelkeit und Brechneigung (besonders morgens, z. B. beim Zähneputzen, wenn man irrtümlich an den Gaumen gerät) - Unausgeruht, müde und zerschlagen nach meist unruhigem Schlaf - Unspezifisches Durstgefühl (nicht zuletzt durch die erheblichen Flüssigkeitsmengen, die z. B. beim Bierkonsum aufgenommen werden; muss beim Entzug mit reichlicher Zuführung von Selterwasser, Tee usw. Rechnung getragen werden!) - Ausgeprägte Schweißneigung (auch tagsüber), vor allem an Händen und Füßen; nachts oft „völlig nassgeschwitzt“ - Stechen, Klopfen, Brennen, Reißen in der Herzgegend, unregelmäßige Herzschlagfolge und Atemfrequenz - Schwindel, Schwächezustand, Kreislaufstörungen mit Kollapsneigung, gelegentlich sogar Anfälle von „unklarer“ Bewusstlosigkeit (zu trennen von „großen Krampfanfällen“ im Rahmen einer sogenannten „Alkohol-Epilepsie“) - Atemnot, chronische Bronchitis (teils durch allgemeine Minderung der Widerstandskraft, teils durch den zumeist mit dem Alkoholabusus kombinierten Zigarettenmissbrauch) - Meist „unklare“ Entzündungsneigung von Nase, Nasennebenhöhlen, Rachen, Bronchien, Lunge, Magenschleimhaut (bis zum Geschwürsdurchbruch), Bauchspeicheldrüse, Gallenblase, Harnwege, Harnblase, Vorsteherdrüse u. a. - Leichtes Drücken unter dem rechten Rippenbogen (Lebervergrößerung), besonders bei gebückter Haltung - Störungen von sexuellem Verlangen und Potenz (daher nicht selten Eifersuchtsszenen), gelegentlich aber auch sexuelle Überaktivität - Stechen, Brennen, reißende Schmerzen an den Beinen (seltener Armen), strumpf- bzw. handschuhförmige Missempfindungen (Ameisenlaufen, Kribbeln, Taubheit u. a.) an Armen und Beinen, brennende Fußsohlen (bei Bettwärme) - Schwäche in beiden Armen, vor allem Beinen (Fersengang unmöglich) - Gelegentlich Seh- und Pupillenstörungen, Augenmuskellähmung - Mitunter Stimmänderung (rauer, tiefer, heiser) - Schwammiges und aufgedunsenes Gesicht mit Neigung zu Rötung und Hautveränderungen (Akne) wie Pusteln, Knötchen, Krusten und schließlich Narben - Mundwinkel-Schrunden und -einrisse - Nicht selten grau-bräunlicher bis blässlich-bräunlicher Grundton der Haut, fettige Haut, aber auch Hautschrumpfung durch Schwund des Bindegewebes und der Oberhaut, Bildung einer so genannten „Pergament- oder Geldscheinhaut“, weiße Flecken auf der Streckseite von Armen und Beinen - Augenbindehautentzündungen (Rötung und Schwellung, starke Absonderungen), rötliche, verdickte Lidränder - Zahnschäden (defektes, kariöses Gebiss) - Kopfbehaarung männlicher Alkoholiker gewöhnlich sehr dicht, bei der Frau zunehmend struppiges und brüchiges Haar, aber auch Haarausfall möglich - Brustentwicklung und Tendenz zu charakteristischer weiblicher Schambehaarung beim Mann, da Abbau weiblicher Sexualhormone durch die geschädigte Leber nur noch unzureichend möglich - Zunge oft braun-weißlich belegt - Feinere bis gröbere Gefäßerweiterungen im Gesicht (jedoch auch möglich bei Menschen, die viel an frischer Luft sind) - So genannte Gefäßspinnen (rote, spinnenartige Gefäßsternchen auf der Haut, die auf Druck abblassen, sich jedoch sofort wieder füllen), meist in Gesicht und am oberen Schultergürtel - Rötung am Daumen- und Kleinfingerballen, gelegentlich auch Fußballen - Korkenzieherartig gewundene Gefäße in der äußeren festen Hülle des Augapfels (Lederhaut) - Nägel, die weiß oder opal (milchig) gefärbt sind, mitunter mit Querbändern - Neigung zu Hautblutungen mit z. T. großflächigen Blutergüssen, zumeist in der Gegend von Schulter, Becken, Knien und Schienbeinen (Rausch: alkoholbedingte Gleichgewichtsstörungen mit häufigem Anstoßen), aber auch vermehrte Schleimhautblutungen - Erweiterte Venenzeichnung auf dem Brustkorb oder Bauch - Verdünnte Achsel- und Schambehaarung usw. Zur Diagnose der Alkoholkrankheit Bei der Diagnose einer Alkoholkrankheit ist das Wichtigste das rechtzeitige Daran-Denken. Meist sind vier Fragen entscheidend, die hier aus informativen Gründen angeführt werden:
Diese vier Fragen zu kennen, zu beantworten (für sich oder andere) und daraus die Konsequenzen zu ziehen, ist in keinem Falle falsch. Wer allerdings alkoholgefährdet ist, wird sie - je fortgeschrittener, desto eher - nur selten im objektiven Sinne beantworten (können), das gehört zu seiner Krankheit (zunehmend unfähig zur selbstkritischen Einsicht). Doch auch hier wieder die Mahnung: Keine Laien-Diagnose und schon gar nicht -Behandlung riskieren (es sei denn für den Betroffenen selber die notwendige Alkoholkonsum-Disziplin). Besser fachärztliche oder psychologische (Beratungsstelle) Hilfe suchen. Das ist zwar ein „gewaltiger Schritt“, den man auch in seiner Tragweite erkennen und in seiner Konsequenz würdigen muss - aber letztlich unumgänglich. Welches sind die wichtigsten Entzugserscheinungen? Wichtig ist dabei auch die Kenntnis der Entzugserscheinungen oder Abstinenz-Symptome nach Dosisreduktion oder Konsumpause. Beispiele (Auswahl):
Welches sind die wichtigsten Ursachen einer Alkoholkrankheit? Als Ursachen der Alkoholkrankheit werden verschiedene Bedingungen diskutiert: Vererbung oder zumindest Disposition (Neigung), Stoffwechselbesonderheiten, psychologische Theorien (Persönlichkeits-, Lern- und psychodynamische Theorien), ferner familiäre, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte, Sozialschicht und Beruf usw. Wahrscheinlich gibt es aber keine Einzelursachen, sondern nur unglückselige Belastungs-Kombinationen mit individuellem Schwerpunkt (und damit letztlich so viele Ursachen wie Betroffene, sagt man). Weitere Einzelheiten siehe Fachliteratur. Wie verläuft eine Alkoholkrankheit? Zwar gibt es auch Besserung und Spontanabstinenz (je nach Studie zwischen 4% und 42%, im Schnitt bei jedem Fünften), es muss aber auch mit folgenden vier Phasen des Alkoholismus gerechnet werden. Das voralkoholische Stadium: ungewohnte, wenn auch anfangs gern akzeptierte Erleichterung im Trinken. Kummer und Sorgen schwinden, Hemmungen fallen, das Leben wird sonnig und leicht. Deshalb sucht man jetzt die Trinkgelegenheit aktiv, um sein immer stärker werdendes Bedürfnis zu rationalisieren. Immer häufiger in künstlicher Euphorie (Wohlbefinden, Glückseligkeit), sinkt die Toleranz rasch gegenüber Alltagssorgen und Problemen. Jetzt muss man sich schon vorsorglich wappnen. Die früher wirksame Menge reicht nicht mehr und muss erhöht werden. Diese prä-alkoholische Phase, die einige Monate bis Jahre dauern kann, geht schließlich über in das Vorläufer-Stadium: vorübergehende Erinnerungslücken, manchmal völlige Erinnerungslosigkeit (weiß nicht mehr, was er trotz mäßigem Alkoholgenuss am Vorabend getan hat). Jetzt braucht man Alkohol wie das tägliche Brot. Man ist abhängig geworden. Deshalb beginnt man heimlich zu trinken und umgeht die alte (Trink-) Gesellschaft. Denn dort könnte man jetzt durch sein gieriges Trinkverhalten auffallen und darauf angesprochen werden. Inzwischen beginnt auch das Denken zwanghaft um Alkohol zu kreisen. Es häufen sich Schuldgefühle, man meidet Unterhaltungen, in denen auf Alkohol angespielt werden könnte. Noch aber ist man in der Regel trinkfest, wird sogar als Stimmungsmacher gefeiert. Das besänftigt wieder die aufkommenden Minderwertigkeits- und Schuldgefühle. Dafür hortet man jetzt vermehrt heimlich alkoholische Vorräte. Dies leitet zum nächsten Stadium über: Kritisches Stadium: Es ist charakterisiert durch den Verlust der Kontrolle: Die kleinste Alkoholmenge führt zu unstillbarem Verlangen nach mehr. Deshalb baut man sich Luftschlösser, in denen man alles vom eigenen Willen abhängig erklärt. Dies äußert sich vor allem in immer häufigeren Alkoholausreden (Alibis), weshalb man hier und jetzt und eigentlich ständig trinken müsse. Solche fadenscheinigen Erklärungsversuche sollen davon überzeugen, dass man noch nicht die Kontrolle über sein Trinkverhalten verloren hat. Doch die Umgebung beginnt misstrauisch zu werden. Das nötigt zur Kompensation durch übergroße Selbstsicherheit und großspuriges Auftreten. Auch häufen sich Reizbarkeit und aggressive Reaktionen, die schließlich in die Isolation treiben. Die ständigen Gewissensbisse benötigen ständig Alkohol zur Linderung. Bestimmte selbstgewählte Trinkregeln (Tageszeit, Ort, Alkoholart, Menge) und Perioden völliger Abstinenz werden zwar immer wieder versucht, brechen aber rasch zusammen. Es häufen sich partnerschaftliche, familiäre, nachbarschaftliche und berufliche Schwierigkeiten. Depressionen und ernstere körperliche Störungen nehmen zu. Die Trinkexzesse dehnen sich langsam auf den ganzen Tag aus. Das End-Stadium zeichnet sich ab: Chronisches Stadium: Jetzt trinkt der Alkoholiker bereits morgens und ist mehrmals oder ständig betrunken, vielleicht sogar tagelang. Die frühere Alkohol-Toleranz schwindet, schon kleine Mengen genügen. Auch die Vorräte werden weniger und zwingen ggf. zu billigem Schnaps oder synthetischen Produkten. Der Trinkstil wird zum besessenen Hinunterstürzen. Das soziale Niveau bricht zusammen. Nun drohen massive körperliche Leiden und seelische Folgekrankheiten. Doch sobald der Alkoholspiegel sinkt, quälen Entzugserscheinungen. In diese Zeit fallen schwere seelische Zusammenbrüche und ggf. Selbsttötungsversuche. Welches sind die wichtigsten Alkohol-Folgeschäden? Zu den wichtigsten Alkohol-Folgeschäden zählen (in Stichworten):
Bei den körperlichen Folgen (s. auch Beschwerdebild) sind es vor allem Funktionsstörungen/Erkrankungen von Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz- und Kreislauf, Muskulatur, Nervensystem (Nervenentzündungen), „Alkoholepilepsie“, Gefäßsystem, Stoffwechsel, Blutbild, Endokrinium („innere Drüsen“), Bindegewebe, Gebiss, ferner vermehrte Entzündungsneigung (Schleimhäute, Kehlkopf, Bronchien, Speiseröhre, Magen-Darm, Bauchspeicheldrüse, Gallenblase, Harnwege, aber auch grippale Infekte), ggf. Intensivierung von Gicht, Zuckerkrankheit, Tumoren, Gefährdung des Ungeborenen u. a. Das größte Problem stellen in der Regel die sozialen Folgen dar: Es leiden Partnerschaft, Familie, insbesondere Kinder, Nachbarschaft, Beruf; aber auch kriminelle Verführbarkeit usw. Was kann man tun? Die Therapie einer Alkoholkrankheit ist in der Regel nur durch professionelle Therapeuten möglich - und durchaus erfolgreich: Allgemeinärzte, Internisten, Psychiater in Zusammenarbeit mit spezialisierten Suchttherapeuten verschiedener Berufsgruppen wie Psychologen und Sozialarbeiter, ferner so genannte „Ehemalige“ oder Ex-Alkoholiker als Laienhelfer und vor allem Selbsthilfeorganisationen der Alkoholiker, insbesondere die Anonymen Alkoholiker (AA), Kreuzbund, Blaues Kreuz, Guttempler-Orden u. a. Der Therapieverlauf gliedert sich in:
Wichtig: rechtzeitige Prävention (Aufklärung schon in Grundschulklassen und auch später mit allen Mitteln der Vorbeugung). Schlussfolgerung Diese stichwortartige Kurzfassung zum Thema: „Alkoholkrankheit - wie sie sich äußern kann, was man wissen muss und was rechtzeitig zu tun ist?“ dient nur als erste Übersicht. Weitere Einzelheiten siehe Fachliteratur, von der es auch in allgemein verständlicher Form eine inzwischen reichliche - vom fachlichen Standpunkt aus erfreulich kompetente - Angebotsfülle gibt. Gerade beim Alkohol kann niemand behaupten, er hätte nicht die Möglichkeit gehabt, sich rechtzeitig zu informieren. Dies betrifft im Übrigen nicht nur die Bedrohten, es betrifft auch die Angehörigen, Freunde, Nachbarn, Kollegen, Vorgesetzten, die in der Regel lieber - und damit verhängnisvoll lange - die Augen verschließen, als sich zu einem persönlichen Gespräch durchzuringen (wohl die beschriebenen Reaktionen befürchtend, die allerdings nicht persönlich gemeint sind, sondern eine hilflose Gegenreaktion darstellen, die man auch als solche werten und in seine weiteren Unterstützungs-Schritte verständnisvoll einbauen sollte). Weitere Einzelheiten zum Thema Alkoholkrankheit siehe das ausführliche Kapitel über die Alkoholkrankheit (derzeit in Arbeit) in der Sparte Psychiatrie heute dieser Internet-Serie. |
||||||
Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |