Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
WIE ÜBERBRINGE ICH EINE TODESNACHRICHT?
Es ist eine der traurigsten und damit belastendsten Aufgaben, die man sich vorstellen kann. Jeder wünscht sich, es möge ihn nie treffen. Gemeint ist die Nachricht an Angehörige: einer der ihren ist tot. Das kann ein Unfall, eine Krankheit sein, das kann einen Polizisten, Pfarrer, Arzt, eine Krankenschwester treffen, es geht allen gleich und vor allem um die Frage: Wie bekomme ich die entsetzliche Nachricht so formuliert, dass sich der erste Schock etwas mildern lässt? Zugegeben, es ist kein Thema, das die Welt bewegt und die meisten von uns trifft es nie. Es ist aber auch nicht auszuschließen und zudem eine der wichtigsten menschlichen Verpflichtungen, selbst wenn sie nur kurz dauert und den Überbringer nicht weiter belasten müssen. Und es ist inzwischen eine Frage, der sich auch die dafür zuständigen Wissenschaftler angenommen haben, also Psychologen, Psychiater, Soziologen und vor allem Notfall-Sanitäter. Ihre Erkenntnisse fasst der Psychologe Prof. Dr. B. Gasch vom Institut für Psychologie der Universität Dortmund in seinem kurzen, aber inhalts-dichten und hilfreichen Beitrag in der Fachzeitschrift tägliche praxis 4/2006 zusammen. Nachfolgend eine komprimierte Übersicht: Die Erkenntnisse aus den bisher vorliegenden Erfahrungen und gezielten Untersuchungen (z. B. F. Lasogga, 2001) bestätigen, was schon jeder zuvor ahnte: Es ist und bleibt eine belastende Bürde, was auch durch traurige Routine nicht leichter wird. Vor allem weiß man nie so recht, wie man sich im speziellen(!) Fall verhalten soll. Jeder ist irgendwie anders - und alle enthalten eine gewaltige Verpflichtung, nämlich schonendes Überbringen und möglicherweise gleich stabilisierende Hilfe, soweit zweckmäßig und gewünscht. Dabei sind es im Grunde offenbar erst einmal ganz realistische Fragen, die von den erschrockenen Angehörigen gestellt werden, nämlich: Wann und wo ist das passiert? Wo ist er/sie jetzt? Wo und wann kann ich ihn/sie sehen? Diese Fragen sind berechtigt und sollten deshalb auch sofort und konkret beantwortet werden, beginnt Prof. Gasch seinen Beitrag. Das heißt, dass man sich als Erstes mit den notwendigen Daten vertraut machen muss. Das sollte schon "vor Ort" geschehen, d. h. beispielsweise an der Unfall- oder Notfallstelle und aufgrund der Dokumente, die der Patient (hoffentlich) bei sich trägt. Und wenn nicht, dann muss man sich darum bemühen. Eine zweite wichtige Frage lautet: Soll die Benachrichtigung telefonisch oder persönlich erfolgen? Vom rein menschlichen Standpunkt aus ist es klar: Das Telefon gehört inzwischen zu unserem Alltag (zumal im Zeitalter des Handy), ist aber nicht das geeignete Medium für eine solche Nachricht. Diese schon rein menschlich nahe liegende Meinung wird auch empirisch, d. h. durch entsprechende Untersuchungen bestätigt. Die allerdings haben einen Nachteil. Sie beschäftigen sich überwiegend mit dem (plötzlichen) Todesfall und nicht mit einer schweren Verletzung bzw. Erkrankung. Das ist offenbar ein Unterschied. Trotzdem bleibt es dabei: Wenn irgend möglich muss die Nachricht persönlich erfolgen: - Bei einer telefonischen Information ist die Ernsthaftigkeit der Nachricht für den ja ohnehin beunruhigten Empfänger nicht nachprüfbar. Ist es ein - wenn auch geschmackloser - Scherz (so etwas ist gerade heute offenbar nicht mehr die Ausnahme), ist es ein Racheakt, der sich des Schocks sicher sein kann oder? - Im Weiteren ist nachvollziehbar, dass der Empfänger bei einer solchen Nachricht hochgradig irritiert, wenn nicht gar verwirrt reagiert und oftmals nicht in der Lage ist zu erfassen, was ihm da gesagt wurde. Das gilt vor allem für die notwendigen Daten, die er wissen muss (s. o.), um alle sofort notwendigen Schlussfolgerungen und Entscheidungen zu treffen (geschweige denn exakt zu notieren: "mir zittern die Hände"). - Am Telefon kann deren Überbringer einer solchen Nachricht auch nicht kontrollieren, welche Reaktionen und Verhaltensweisen der Betroffene zeigt. Das kann im Einzelfall durchaus riskant sein (Stichwort: Herzschwäche oder gar Kurzschlussreaktion). Nur vor Ort kann der Informant also ggf. persönliche Hilfe leisten, sofern sie benötigt wird. - Schließlich kann man am Telefon auch nicht erkennen, ob der Empfänger allein ist oder ob sich andere Personen in seiner Umgebung aufhalten. Letzteres kann Vor- und Nachteile haben, je nach seelischer Stabilität des Umfeldes. Im negativen Sinne aber kann eine Belastung zur anderen kommen, weil der Empfänger sich dann auch noch um die verzweifelte Reaktion der weiteren Angehörigen kümmern muss, eine schon extreme Mehrfach-Belastung. - Zuletzt besteht bei telefonischer Nachricht die Gefahr, dass der Betroffene mit dem eigenen PKW an den Unfallort oder in das Krankenhaus fährt, statt ein Taxi zu nehmen oder sich von Bekannten, Freunden, Nachbarn usw. fahren zu lassen. Und wie man sich dann am Steuer verhält, vielleicht noch im Stoß-Verkehr, kann sich jeder ausmalen. Eine solche Risiko-Häufung ist nun wirklich unnötig, belastend und ggf. gefährlich (auch für Unbeteiligte). Gibt es einen Unterschied zwischen "Tod" und "schwerer Erkrankung/Verletzung"? Nun spielt aber in der obigen Fragestellung auch die Überlegung bzw. notwendige Unterscheidung eine Rolle, ob der Angehörige "nur" einen plötzlichen schweren Notfall erlitten hat oder bereits verstorben ist. Gibt es hier empfehlenswerte Verhaltens-Strategien? Wissenschaftlich bzw. empirisch (d. h. exakt kontrollierte Erfahrungswerte) gesehen, und das ist die Grundlage aller Verhaltens-Empfehlungen, müsste man den Grad der Verwirrung und/oder Erregung beim Empfänger unterscheiden können, je nach Nachricht: "Tod" bzw. "plötzliche schwere Erkrankung / Verletzung". Und hier sind es vor allem die physiologischen Reaktionen, also Puls, Blutdruck, Stoffwechsel, ja Magen-Darm u. a., die die Folgen z. T. nachhaltig mitbestimmen können. Auf jeden Fall dürfte überall die höchst mögliche Erregungs-Stufe erreicht sein (Herzrasen, Schweißausbrüche, schwindelige Benommenheit, weiche Knie, ggf. Stuhldrang usw.). Rein theoretisch könnte man sich vorstellen, dass bei einem noch lebenden Angehörigen diese Reaktion eher "agitiert" ausfällt, d. h. unruhig-gespannt. Und dass der Wunsch, so schnell wie möglich an den Ort des Geschehens (ob Klinik oder Straßenkreuzung) zu kommen, im Vordergrund steht. Bei einer Todes-Nachricht könnte es häufiger zur reinen "Irritation" kommen, d. h. "wie vom Schlag getroffen", ungläubig, vielleicht sogar psychomotorisch-gehemmt bis blockiert, d. h. "starr vor Schreck". Das würde aber den Wunsch, den Verstorbenen möglichst schnell zu sehen, auch nicht lange hinauszögern. Deshalb - so der Psychologe B. Gasch - soll bei der Benachrichtigung von Angehörigen zwischen "Todesfall" und "schwerer plötzlicher Erkrankung / Verletzung" kein Unterschied gemacht werden. Das einzige Problem liegt an der subjektiven Einschätzung der Intensität bzw. Bedrohlichkeit von "schwerer" oder "weniger schwerer" Erkrankung/Verletzung. Das kann nebenbei auch die behandelnden Ärzte erst einmal die Abschätzung erschweren, dürfte aber letztlich zu Gunsten von "lieber gleich informieren" ausfallen. Wer soll die Nachricht überbringen? So oder so, eine persönliche Benachrichtigung ist also grundsätzlich vorzuziehen. Da schließt sich dann allerdings die Frage an: Wer soll die Information übernehmen? Das hängt laut Experten davon ab, ob der Angehörige "im öffentlichen Raum", d. h. außerhalb seiner Wohnung oder in der Klinik verstirbt.
Ist die Polizei beteiligt, dann fällt ihr in der Regel auch die schwierige Aufgabe der Angehörigen-Verständigung zu. Und hier wird klar: Keiner der beteiligten Beamten ist zu beneiden. Deshalb wäre es günstiger, wenn ihm ein "psychosozialer Notfallhelfer" (in der Regel ein "Notfall-Seelsorger" bzw. das Mitglied eines "Kriseninterventions-Teams") zur Seite stehen könnte. So etwas gibt es heute in Deutschland zwar schon flächendeckend, doch die Frage lautet: Wie schnell kann ein solcher Experte erreicht werden und wenn ja, wie lange kann man auf ihn warten? Im Übrigen hängt das Geschick, schlechte Nachrichten dieser Dimension schonend oder gar stützend zu vermitteln, natürlich von einem individuellen Faktor ab, d. h. Wesensart, Erfahrung, Mitgefühl bzw. Einfühlungsvermögen und sicher auch wie viel Zeit und damit Ruhe zur Verfügung steht. Das können auch Beamte oder andere Informations-Übermittler ohne fachliche Hilfe sein. Und bei geschulten Helfern ist - so die alte Erkenntnis - die theoretische Ausbildung noch lange keine Gewähr für die notwendige Fähigkeit im Stress-Alltag. In allen Fällen aber sollte auf das bereits erwähnte Risiko geachtet werden, dass sich der Benachrichtigte in derart aufgewühlten Zustand sofort selber ans Steuer setzt (Unfallgefahr, Übersehen von Ampel-Stopps u. a.). Hier sind dann auch mal unbürokratische Lösungen gefordert, was auch "pflichtbewusste Gesetzeshüter" immer wieder möglich machen.
Ist dies nicht der Fall, aus welchen Gründen auch immer, muss die Klinik die Benachrichtigung übernehmen. Hier sollte man nun meinen, dass es feste Regeln gäbe. Doch das ist leider nicht der Fall. Das soll kein Vorwurf sein, ein Defizit ist es trotzdem, besonders in den Augen der Betroffenen.
Auf jeden Fall ist die Situation nicht einheitlich, sondern unterscheidet sich von Stadt zu Stadt bzw. gar von Klinik zu Klinik, räumt Prof. Gasch ein. Lebt der Patient noch, scheinen manche Krankenhäuser eine telefonische Benachrichtigung zu bevorzugen bzw. wählen zu müssen; die Nachteile sind allen bekannt. Natürlich wird man sich vergewissern, dass es sich um den richtigen Gesprächspartner handelt und sich auch in welcher Form auch immer ausweisen (z.B. telefonischer Rückruf nach hinterlassener Klinik-Nummer). So oder so sind die beschriebenen negativen Folgen, zumindest theoretisch, dann aber in Kauf zu nehmen. Ist der Patient verstorben, gibt es verschiedene Varianten der Todesnachricht-Übermittlung: - Zum einen die Einschaltung der Polizei, besonders bei "unklarer Todesursache". Dann übernehmen die Beamten auch das weitere Vorgehen. - Zum anderen kann der "soziale Dienst" des Krankenhauses damit beauftragt werden. Diese (zumeist weiblichen) Mitarbeiter sind dann in der Regel auch entsprechend geschult. - Zuletzt - im wahrsten Sinn des Wortes - die telefonische Benachrichtigung mit allen Nachteilen, das muss man schon einmal einräumen. Betroffen ist in der Regel der diensthabende Arzt: unter Stress und dann leider oftmals nur begrenzt mitfühlend-geduldig, von individuellen positiven oder leider auch negativen Eigenschaften ganz zu schweigen. Ärzte werden diesbezüglich kaum geschult, jedenfalls nicht grundsätzlich. Auch das ist ein Manko, hat aber seine eigenen Gründe (zumeist mit Personal-Engpässen entschuldigt). Manchmal bleibt auch der Verwaltung diese schwere Aufgabe überlassen. Das ist nebenbei nicht nur negativ, wenn sich der Übermittler mehr Zeit lassen und vielleicht sogar noch von Natur aus mehr Einfühlungsvermögen vermitteln kann. Erwartet werden kann es aber leider ebenfalls nicht. Und ganz schlimm sind natürlich die rein bürokratischen telefonischen Benachrichtigungen, die sich emotionslos auf das Wichtigste beschränken ("... verstorben. Sie können ihren Angehörigen in zwei bis drei Stunden sehen"). Wie auch immer, Prof. Gasch empfiehlt in Übereinstimmung mit den Experten auch hier, grundsätzlich nicht zwischen einer Todesnachricht und einer schweren Erkrankung/Verletzung zu unterscheiden und die Angehörigen persönlich zu benachrichtigen. Wer soll die Benachrichtigung aus der Klinik übernehmen? Wer aber soll diese schwere Aufgabe übernehmen, bei sich - nachvollziehbarerweise - niemand vordrängt? Einige positive und vor allem negative Lösungen wurden ja schon angedeutet. Die Antwort - so B. Gasch - ist einfach und schwierig zugleich: Am besten ein Mensch aus Fleisch und Blut (und nicht nur eine telefonische Durchsage, möglichst noch auf das Notwendigste beschränkt). Besser sogar zwei Menschen, die nicht nur dafür kompetent und sofort verfügbar sind, sondern sich auch gegenseitig eine Stütze zu sein pflegen. Das können sein: Klinik-Psychologe, Klinik-Seelsorger, sozialer Dienst, Mitglieder des Kriseninterventions-Teams, notfalls auch ein kompetenter Mitarbeiter der Verwaltung, eine erfahrene Krankenschwester, ein Krankenpfleger, ein Rettungsassistent und - wenn verfügbar - die Polizei. Dabei - das räumen die Experten ein - sind allerdings verwaltungs-spezifische oder gar juristische Fragen außer Acht gelassen. Das kann kompliziert werden und alles andere dominieren. Nun könnte man einräumen, dass in einer solchen Situation am besten ein Arzt diese Aufgabe übernehmen sollte. Das ist zwar richtig, im Klinik-Alltag, aber nicht die Regel, oder noch härter formuliert: eher die Ausnahme. Oder, wie es Prof. Gasch diplomatisch formuliert: "Jemand aus dem ärztlichen Personal dafür zu gewinnen, ist zwar theoretisch ebenfalls denkbar, wenn auch aus vielerlei Gründen oft nicht möglich." Ob dieses Ausbildungs-, Weiter- oder Fortbildungsdefizit (d.h. Medizin-Studium, Facharzt-Ausbildung und lebenslange Fortbildung) je überwunden werden kann, ist fraglich, besonders in der langsam immer angespannter werdenden Personal-Situation der Kliniken. Es war aber - man muss es leider bekennen - auch schon unter günstigeren Bedingungen offenbar kein Thema von zwingendem Belang, was von den jeweiligen Ethik-Kommissionen der Krankenhäuser zwar beklagt, aber unter den gegebenen Bedingungen nicht verbessert werden konnte. Dafür scheint sich aber das spezifische Ausbildungs-Niveau der "para-medizinischen Dienste" (s. o.) so optimiert zu haben, dass man damit nicht nur leben kann, sondern es wahrscheinlich auch als die beste aller möglichen Lösungen anerkennen muss. Spezifische Situationen bei der Nachrichten-Überbringung Nun ist das Leben so, wie es ist, der Alltag ist selten programmierbar, schon gar nicht in Notfallsituationen. "Was also, wenn", fragt der Psychologie-Professor B. Gasch. - Bei einer persönlichen Benachrichtigung findet sich niemand zu Hause: Dann bleibt nur die Not-Lösung, eine schriftliche Nachricht zu hinterlassen, in der um einen dringenden Rückruf gebeten wird (z. B. Überbringer wie Polizei oder Klinik-Angehöriger). Jetzt muss man auch die Nachteile der telefonischen Übermittlung in Kauf nehmen, das leuchtet ein. Und hier noch eine ganz wichtige Verhaltensregel: Ist es wenigstens möglich, einen Wohnungs-Nachbar einzuschalten, dann sollte ihm nur die Dringlichkeit des Kontaktes (einschließlich Anrufs), nicht aber der konkrete Anlass mitgeteilt werden. Der Schreck ist ohnehin nicht zu umgehen und die Reaktion des Nachbarn - ob hilfreich oder vielleicht doch eher zwiespältig - muss nicht noch gesondert belasten. - Die Angehörigen wohnen sehr weit weg: Zum Beispiel in einer anderen Stadt, vielleicht sogar in einem anderen Land. Dann könnte die Leitstelle der entsprechenden Stadt die Aufgabe der Benachrichtigung übernehmen, oder ein dort ansässiger "psychosozialer Notfallhelfer" bzw. die Polizei. Wenn es sich um eine andere Nation handelt, wird es naturgemäß schwieriger, da sind ggf. Kompromisse hinzunehmen. Auf jeden Fall sollte der jeweilige Überbringer in Vertretung mit jetzt doch grundlegenden Informationen und einer entsprechenden Telefonnummer für die Rückfragen ausgestattet werden. - Der oder die Angehörigen wollten umgehend telefonisch informiert werden, und nicht erst jetzt persönlich. Das können durchaus reizbare bis aggressive Kommentare sein, die jetzt, zumal in dieser individuell belastenden Situation, aus den Angehörigen herausbrechen. Hier muss sich der Überbringer aber selber schützen bzw. geschützt werden und mit allem Nachdruck die Nachteile der telefonischen Benachrichtigung vortragen. Das kann dann auch nachträglich über die zuständige Stelle geschehen, sollten sich die Vorwürfe wiederholen. Die Experten kennen solche Reaktionen zu gut (Stichwort: "Frustrations-Aggressions-Hypothese"). Diejenigen, die mit den persönlichen Übermittlungs-Pflichten aufgaben-bedingt belastet sind, wissen im Allgemeinen darum (oder sollten es vermittelt bekommen haben) und können sich guten Gewissens sagen: "Ich bin zwar der momentane Empfänger der Vorwürfe, aber persönlich bin ich nicht gemeint". Da entstehen dann auch keine sinnlosen Diskussionen; der Überbringer informiert und hört zu, alles andere versteht er als persönliche Not-Reaktion, nimmt es hin und schließt seine leidige Aufgabe so ab, wie er es gelernt und bisher praktiziert hat. Regeln für das Überbringen einer Todesnachricht Zuletzt sei noch eine Reihe von praktischen Hinweisen vermittelt, wie sie die Professoren F. Lasogga und B. Gasch in ihrem Buch Notfallpsychologie (2004 - siehe Literaturverzeichnis) in prägnanter Kürze anbieten. Im Einzelnen (modifiziert):
- Möglichst viele Informationen über den Toten und die Angehörigen einholen, um soviel wie möglich und konkret die zu erwartenden Fragen beantworten zu können. - Die Nachricht nicht telefonisch überbringen. - Als Zeiteinheit mindestens 30 Minuten, eher ein bis zwei Stunden einplanen. - Mit vielfältigen Reaktionen beim Opfer rechnen, schon im Voraus. Beispiele: Weinen, Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Versteinerung, Apathie (Teilnahmslosigkeit), Schock, Aggressionen, überraschende Gelassenheit, das Bemühen Fassung zu bewahren, das Mitgeteilte nicht wahrhaben wollen u.a.m.
- Der Überbringer sollte sich mit seinem Namen vorstellen. Dazu die Institution nennen, wo er tätig ist (Polizei, Sanität, Klinik und hier z. B. sozialer Dienst u. a.). - Der Überbringer sollte sich vergewissern, ob er es mit der richtigen Person zu tun hat. - Der Überbringer sollte - so gut und so weit es geht - das Verhältnis von weiteren anwesenden Personen zum direkt Betroffenen klären. Deshalb auch die Frage an den Empfänger, ob weitere Anwesende dabei bleiben sollen. - Der Überbringer sollte den Empfänger kurz auf eine "schlimme Nachricht" vorbereiten. - Er sollte einfache, kurze Sätze bevorzugen. - Er sollte eindeutig von "Tod" oder "verstorben" sprechen, nicht um die ja leider klare Realität herumreden. - So sollte der Überbringer auch nicht von "der Leichnam" u. ä. sprechen, sondern von ihr Mann, ihre Frau, ihr Kind. - Der Überbringer sollte klar und vom Verständnis angemessen über das Geschehene informieren, vor allem keine Fremdwörter gebrauchen. - Auch sollte er auf Floskeln oder oberflächliche Trostworte vermeiden. - Der Überbringer sollte dem Empfänger Zeit gewähren, das Gehörte zu verarbeiten. Deshalb auch die eingeplante Besuchs-Zeit (s. o.), die auf den ersten Blick vielleicht lang bis überlang anmutet. - Der Überbringer sollte dem Empfänger "aktiv" zuhören und nach der notwendigen Information eher weniger reden. - Er sollte Fragen offen und korrekt beantworten. - Er sollte Blickkontakt halten. - Wenn der Überbringer den Eindruck hat, dass dem Empfänger der bekannte trost-spendende Körperkontakt angenehm sei, kann er seine Hand halten, die Hand auf den Arm legen oder den Betroffenen in den Arm nehmen. - Der Überbringer sollte den Empfänger möglichst nicht allein zurück lassen, d. h. die nächsten Kontakte organisieren helfen. - Schließlich sollte der Überbringer eine Visitenkarte oder eine Kontaktadresse und ggf. eine Liste mit Hilfsadressen hinterlassen (Selbsthilfegruppen, Notfallpsychologen usw.) Schlussbetrachtung Selbst diese wenigen Seiten, ganz abgesehen von den ausführlichen (Fach-) Artikeln oder -Büchern, machen auch die Nicht-Betroffenen nachdenklich. Und sie zeigen, wie vielschichtig, komplex und vor allem belastend solche Situationen sind. Es ist aber auch richtig, dass hier seitens der zuständigen Institutionen noch mehr getan werden muss (als möglicherweise bisher). Dieser Wunsch geht vor allem an die Ärzteschaft und/oder diejenigen, die sie in dieser schweren Aufgabe vertreten (müssen). Dabei ist das - offen ausgesprochene oder verdrängte - Argument weniger der fehlende Zeit-Faktor, mehr die Kraft, die eine solche Aufgabe fordert - jedes Mal neu. Ihr kann man am besten mit einer soliden Aus-, Weiter- und ständigen Fortbildung begegnen, auch und vor allem bei einer der schwersten Dienste am Mitmenschen, nämlich: wie überbringe ich eine Todesnachricht. LITERATUR Grundlage dieser Informationen sind: Gasch, B.: Das "richtige" Überbringen einer Todesnachricht. tägliche praxis 4 (2006) 889 Lasogga, F.: Psychische Erste Hilfe beim Überbringen von Todesnachrichten. Rettungsdienst 24 (2001) 341 Lasogga, F., B. Gasch: Psychische Erste Hilfe. Verlag Stumpf & Kossendey, Edewecht 2002 Lasogga, F., B. Gasch: Notfallpsychologie. Verlag Stumpf & Kossendey, Edewecht 2004 |
|||
Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |