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SCHIZOPHRENE ICH-STÖRUNGEN

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Störungen des Ich-Erlebens - Störungen der Ich-Vitalität - Störungen der Ich-Aktivität - Störungen der Ich-Konsistenz - Störungen der Ich-Demarkation - Störungen der Ich-Identität - u.a.

Jeder weiß von sich selber: Ich bin ich. Das nennt man Ich-Bewusstsein. Darüber redet aber kein Mensch, weil es so selbstverständlich ist. Allerdings nicht für Kranke, die unter einer Störung des Ich-Bewusstseins leiden. Dazu gehören vor allem schizophrene Menschen. Für sie ist dieses selbstverständliche Phänomen, ins Kranke verkehrt, plötzlich eine existentielle Bedrohung, auch wenn niemand merkt, was sich hier an innerseelischer Gefährdung abspielt. Was man sieht, sind lediglich unverständliche, skurrile oder absurd erscheinende Reaktionen. Die Ursache bleibt unerkannt, ja, die meisten wissen gar nicht, wie kompliziert die seelischen Abläufe sind und was demzufolge alles krankheitsbedingt entgleisen und den Betroffenen damit quälen kann.

Nachfolgend deshalb eine kurze Übersicht zum Thema schizophrene Ich-Störungen.


Erwähnte Fachbegriffe:
Schizophrenie - schizophrene Ich-Störungen - "Spaltungs-Irresein" - Störungen des Ich-Erlebens - Ich-Bewusstsein - Bewusstsein von mir selber - Depersonalisation - Derealisation - Ich-Vitalität - Ich-Aktivität - Ich-Konsistenz - Ich-Demarkation - Ich-Identität - Stupor - Mutismus - Gedankenabreißen - Gedankensperrung - Denkverwirrtheit - Silbenwiederholung - Wortwiederholung - echoartiges Nachsprechen - Echolalie - Echopraxie - stereotype Bewegungsmuster - Grimassieren - Erregungszustand - Fremdbeeinflussungswahn - Verwirrtheit - Verrücktheit - innerseelisches Chaos - Psychopathologie - u.a.m.

Keine seelische Krankheit, wahrscheinlich kein Leiden überhaupt provoziert in der Allgemeinheit soviel negatives Interesse wie die Schizophrenien: Unsicherheit, Ratlosigkeit, Verlegenheit, Furcht, Scham, ja gereizte Reaktionen und Aggressivität. Dabei handelt es sich um die wohl am längsten bekannte und bisher am intensivsten untersuchte seelische Störung.

Doch die meisten Menschen können mit einer schizophrenen Erkrankung fast nichts Konkretes in Verbindung bringen, außer der gängigen, aber wenig hilfreichen Floskel vom "Spaltungs-Irresein". Danach folgen vielleicht noch Sinnestäuschungen, Wahn und - etwas verlegen vorgebracht - die befürchtete Gewalttätigkeit, die man aus seltenen, aber einprägsamen Einzelfällen kennt (und die manchen Formen der Medien bisweilen gelegen zu kommen scheint).

Aber das, was die weniger spektakulären, aber nicht minder beeinträchtigenden Symptome ausmacht, bleibt den meisten verborgen. Doch genau das wäre wichtig, um sein Wissen nicht nur aus dritter Hand, aus Gerüchten und Medienberichten zu beziehen - mit allen Nachteilen. Und vor allem einer Krankheit gerecht zu werden, die nicht nur rund eine Million Menschen im deutschsprachigen Bereich und damit etwa 60 Millionen auf dieser Erde betrifft, sondern nach außen in der überwiegenden Zahl der Betroffenen weitgehend unauffällig ist. Das heißt aber auch, die schizophren Erkrankten leiden vor allem "innerlich". Hier gibt es tatsächlich Krankheitszeichen - das sei zugegeben -, die mit dem "gesunden Menschenverstand" kaum fassbar sind. Einzelheiten dazu siehe auch das ausführliche Kapitel über die Schizophrenien.

Schizophrene Ich-Störungen

Dazu gehören vor allem die Störungen des Ich-Erlebens, auch als schizophrene Ich-Störungen bezeichnet. Doch wer sich ein wenig mit ihnen beschäftigt, kommt dem Wesen der schizophrenen Erkrankung schon näher und versteht sowohl manche "Verrücktheiten" vom Außenstandpunkt als auch die innerseelische Qual der Betroffenen etwas besser. Im Einzelnen:

Eines der für die Schizophrenien charakteristischen Phänomene ist das Gefühl, im Denken, Handeln und Fühlen von Außenkräften beeinflusst und gesteuert zu werden. Das ist auch das Kennzeichnende dieser Ich-Störungen. Die eigenen innerseelischen Abläufe werden als von außen und von anderen gemacht, gelenkt und beeinflusst erlebt. Alles, was sich in ihrem Inneren abspielt, gehört ihnen nicht mehr selber. Die Verbundenheit zu ihrem Ich ist verloren gegangen. Die jedermann zugestandene Schranke zwischen Ich und Umwelt ist durchlässig geworden. Man kann "hinein- und hinausspazieren", man ist ein "öffentliches Freiwild" geworden, gleichsam ein "gläserner Mensch im seelischen Bereich".

Und nicht nur dies: Die Umgebung kann nicht nur alles sehen, hören, spüren, man kann den Betroffenen auch manipulieren: Der Patient ist zum Spielball, zur Marionette anderer geworden. Natürlich alles nur in seinem krankhaften Erleben, aber das reicht völlig aus, um dieses Leben in unglückliche Bahnen zu lenken oder gar zu zerstören.

Was versteht man unter Ich?

Und hier soll erläuternd etwas nachgeholt werden, was im Grunde jedermann klar und deshalb auch kein großes Thema ist: Nichts fällt dem Gesunden leichter als zu sagen: "Ich bin ich, was soll die dumme Frage". Denn kaum ein Wort benutzen wir so häufig wie dieses Ich, selbst wenn man kein Egoist ist. Jeder ist sich seiner eigenen personellen Identität gewiss. Und doch ist kaum ein Begriff so schwer zu definieren wie dieses "Ich". Es ist kein einheitlicher Begriff, keine konkrete Sache, sondern eine Konstruktion aus verschiedenen Theorien, die jede für sich ihren bestimmten Zweck oder ihre Funktion hat.

Für den alltäglichen Sprachgebrauch und für unser gesundes Empfinden und Selbstwertgefühl heißt dieses "ich bin", dass ich lebendig, einheitlich und zusammenhängend in der Beschaffenheit bin, mich von anderen Wesen und Dingen abzugrenzen und zu unterscheiden vermag, dass ich eigenständig bin und mein Erkennen und Einordnen der Dinge um mich herum sowie mein Handeln selber bestimmen kann. Kurz: Dass ich ich selber sein darf - in jeder Lebenslage. Soweit dieser etwas philosophisch anmutende Vorspann. Warum? Weil er für den schizophren Erkrankten so nicht mehr gilt.

Für ihn ist das Ganze keine theoretische oder philosophische Frage, für ihn wird es zur Existenzfrage schlechthin. Unter einer Existenzfrage versteht man zumeist eine wirtschaftliche, vor allem finanzielle Gefährdung. Es kann sich aber auch um eine innerseelische Bedrohung handeln. Nur darum kümmert sich kein Mensch, obgleich dies eine noch viel existentiellere Gefahr ist. Wenn einer seine wirtschaftliche Grundlage verliert, ist jeder voller Mitleid. Wenn einer seine seelische Grundlage verliert, kann er mit keiner Hilfe rechnen, ja er wird als "Verrückter" abgestempelt.

Die Basis des Menschseins: das Ich-Bewusstsein

Das Ich ist also eine allgemeine Bezeichnung für den "Kern" oder die "Struktur" einer Persönlichkeit. Grundlage einer menschlichen Existenz ist dann das sogenannte Ich-Bewusstsein. Das ist die Gewissheit des wachen, bewusstseinsklaren Menschen: "Ich bin ich selber". Dabei ist wichtig zu wissen: Wir haben nicht Bewusstsein, sondern sind Selbstbewusstsein. Wir haben nicht ein Ich-Bewusstsein, sondern sind Ich-Bewusstsein schlechthin. Wir haben nicht ein Ich, sondern sind selbst dieses Ich.

Das klingt banal, doch wenn man einmal nachdenkt, weiß man, warum dieses Phänomen: das Bewusstsein von mir selber so schwer fassbar ist. Man steht sich selbst nicht einfach beobachtend gegenüber, man ist ja selber dieses Ich.

Deutlich wird dies etwas komplizierte Phänomen aber vor allem dann, wenn das Ich-Bewusstsein nicht normal funktioniert, wenn also Störungen des Ich-Bewusstseins vorliegen. Das sind beispielsweise Depersonalisation, Derealisation, Störungen der Ich-Vitalität, der Ich-Aktivität, der Ich-Konsistenz und Ich-Kohärenz, der Ich-Demarkation, der Ich-Identität, des Selbstbildes (Selbstkonzept, Persönlichkeitsbild) und der Ich-Stärke.

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht zu diesem Thema: Eine ausführlichere Darstellung siehe das spezielle Kapitel Störungen des Ich-Bewusstseins.

Schizophrene Ich-Störungen

Störungen des Ich-Bewusstseins können bei verschiedenen Krankheitsbildern auftreten (bestimmte Persönlichkeitsstörungen und neurotische Entwicklungen, Depressionen, manische Hochstimmung, hirnorganische Psychosyndrome, Intoxikations-Psychosen ("Vergiftungswahnsinn"), epileptische Psychosen u.a. - und natürlich bei der Schizophrenie.

Nachfolgend deshalb eine kurze Übersicht über die am schwersten begreifbaren und für die Betroffenen wahrscheinlich auch quälendsten Ich-Störungen im Rahmen einer schizophrenen Erkrankung in Stichworten:

- Störungen der Ich-Aktivität: In leichterer Form sind lediglich das Sprechen und die Bewegungsabläufe gehemmt, gebremst, zäh und stockend, alles ist erschwert und verzögert. Dadurch erscheint der Betroffene in Mimik und Gestik verlangsamt, ungraziös, betulich, manieriert (geziert, gekünstelt), vielleicht sogar bizarr. Im Extremfall ist er seelisch, geistig und körperlich wie blockiert (Fachbegriff: Stupor) und spricht nicht mehr (Mutismus).

Aus Angst und Panik kommt es manchmal zur Überkompensation: stereotype Bewegungsmuster, Nachahmung der Bewegung anderer (Echopraxie). Oder der Versuch, mit sonderbaren oder extremen Maßnahmen diese Blockierung zu durchbrechen: Grimassieren, Erregungszustand usw.

Auch Denken und Fühlen können betroffen sein: Merk- und Konzentrationsstörungen bis hin zur Zerstreutheit, schließlich sogar Gedankenabreißen bzw. -sperrung oder totale Denkverwirrtheit.

Das Sprechen wirkt abgehackt, sprunghaft, wechselnd in Lautstärke und Tempo. Manchmal bis zur sinnlosen Silben- oder Wortwiederholung bzw. zum echoartigen Nachsprechen (Echolalie).

- Störungen der Ich-Demarkation: "Ich kann mich nicht mehr abschirmen, abgrenzen (= demarkieren), weiß nicht, wo ich aufhöre, bin ungeschützt, kann nicht mehr das Außen vom Innen unterscheiden, alles dringt in mich ein, durch mich hindurch". Oder: "Meine Gedanken verbreiten sich überall hin, können von anderen gelesen werden", "alle wissen plötzlich von meinen intimsten Wünschen".

D.h., die Ich-Grenzen (hier bin ich und dort bist Du) sind durchlöchert und der Betreffende ist seinem Umfeld schutzlos ausgeliefert (so wie ein Staat, dessen Grenzen plötzlich nicht mehr von den eigenen Sicherheitskräften geschützt werden können).

Aber nicht nur das: Der unkontrollierte Austausch ist wechselseitig, d.h. auch fremde Gedanken, Impulse, Stimmungen und sogar Handlungsanweisungen werden eingegeben (Fachbegriff: Fremdbeeinflussungswahn). Oder: "Was andere denken, überträgt sich auf mich."

Wieder resultieren notgedrungen die sonderbarsten Reaktionen, die die ahnungslose Umgebung nicht deuten und daher befremden die, Angst und Schrecken verbreiten kann.

- Störungen der Ich-Identität: "Bin ich noch ich selber?" Oder: "Ich bin nicht mehr ich selber, bin nicht ich, darf nicht sein, der ich bin." Oder noch konkreter: "Ich habe - oder habe ich eine andere Nase, andere Augen, einen fremden Mund, andere Ohren, Haare?" "Habe ich mich gewandelt, bin Mann und Frau zugleich, bin ich rechts ein anderer wie links?"

Diese Ich-Identitätsunsicherheit führt natürlich ebenfalls zu skurrilen Reaktionen, stereotypen Selbst-Versicherungen oder gar Beschwörungen. Oder es drängt sich der Wahn als scheinbare Lösung auf (die alte Identität ist verloren und muss durch eine neue ersetzt werden: z.B. Vaterschafts-, Mutterschafts-, Abstammungswahn usw.).

- Störungen der Ich-Konsistenz entsprechen am ehesten dem, was man in der Allgemeinheit unter "Spaltungs-Irresein" versteht, d.h. der schizophren Erkrankte fühlt sich zerrissen, zersplittert, gespalten, zerfallen, zerstückelt, gesprengt, halbiert, durchlöchert, als zähflüssige Masse, in alle Winde zerstreut usw.

Wenn das Ich aber völlig zerrissen ist, passen Gemüt, Gefühl, Stimmung, Gedanken und andere Erlebnisinhalte nicht mehr zusammen. Es drohen aufgrund eines solchen "Chaos" die widersprüchlichsten Gemütsregungen und absurd erscheinenden Reaktionen.

- Störungen der Ich-Vitalität: "Lebe ich noch"? "Bin ich überhaupt noch"? "Ich spüre mich gar nicht mehr als lebendig". "Ich habe Angst, dass das Leben von mir geht, dass ich untergehe, sterbe oder gar verwese". "Ich bin schon tot, zu Staub zerfallen" u.a.

Schlussfolgerung

Ich-Störungen zu erklären, ist schon schwierig; Ich-Störungen zu ertragen, ist ein Schicksal, das kaum zu beschreiben ist. Vor allem, man kann sich mit niemand austauschen. Wer will auch so etwas hören, kann es verstehen, schon gar nicht mildern. Und dann: Weiß man unter diesen Bedingungen überhaupt, wem man trauen kann?

Auf jeden Fall wird deutlich, dass aus den Ich-Störungen zahlreiche weitere Beeinträchtigungen entstehen können: Erstaunen, Erregung, Selbst- und Fremdaggressivität, Wahnzustände in jeglicher Form, Verwirrtheit, Absonderlichkeiten im Denken, Sprechen, Handeln, die widersprüchlichsten Gemütsreaktionen, kurz: Wie soll man in dieser ver-rückten Innen-Welt auch anders reagieren als wie ein "Verrückter"?

Deshalb sollte man - sofern einem die Gabe des Verständnisses geschenkt ist, abhängig von gutem Willen, Mitgefühl, Geduld und Informationsstand - mit schizophren Erkrankten auch geduldiger, nachsichtiger, vielleicht sogar hilfreicher umgehen, als es in vielen Fällen geschieht. Wobei so mancher Krankheitsverlauf, das sei zugestanden, es den Angehörigen, Kollegen, Nachbarn usw. nicht einfach macht. Doch man stelle sich einfach eine Reihe von Symptomen vor, die so unfassbar sind, wie die hier erläuterten Ich-Störungen. Dabei ist das nur eine kleine Auswahl des schizophrenen Krankheitsbildes, wie man in dem entsprechenden Kapitel über die Schizophrenien nachlesen kann.

Die schizophrenen Ich-Störungen sind allerdings schon etwas besonderes: weitgehend unbekannt und damit unverstanden - und für die Betroffenen überaus qualvoll eben weil sie niemand nachvollziehen kann.

Literatur

Einzelheiten siehe das ausführliche Internet-Kapitel über die Schizophrenien mit entsprechendem Literaturverzeichnis einschließlich allgemeinverständlicher Bücher-Auswahl. Grundlage vorliegender Ausführungen sind vor allem

Scharfetter, C.: Allgemeine Psychopathologie. Thieme-Verlag, Stuttgart-New York 1996

Scharfetter, C.: Schizophrene Menschen. Beltz-Verlag, Weinheim-New York 1995

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).