EPILEPSIE UND WEIBLICHES GESCHLECHT

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Befürchtungen, Kenntnisstand und Beratungsbedarf von Frauen mit Epilepsie

Epileptische Anfälle lösen im Umfeld der Betroffenen mehr Irritationen aus, als die meisten seelischen Krankheiten, die ihrerseits zu den sozial belastendsten Leiden gehören. Deshalb hat dieses neurologische Krankheitsbild mit seinen psychosozialen Konsequenzen zwar eine Reihe berühmter Betroffener, aber auch viele Patienten, die durch dieses Beschwerdebild zahlreiche Nachteile zu verkraften haben, vom Selbstwertgefühl bis zu konkreten Einbußen im Alltag.

Ein besonderes Problem sind dabei die Sorgen, Kümmernisse und Befürchtungen des weiblichen Geschlechts, was Partnerschaft, Sexualität, Familie, Kinderwunsch und Kinder-Erziehung, konkret vor allem Verhütung, Schwangerschaft und Furcht vor möglichen Fehlbildungen durch antiepileptisch wirksame Medikamente anbelangt. Hier tut Aufklärung Not. Hier könnte Aufklärung auch vieles zurechtrücken, was tatsächlich Sorgen bereitet – in der Mehrzahl unbegründet.

Welches sind nun die häufigsten und wichtigsten Ängste und Bedenken von Frauen mit Epilepsie im Hinblick auf eine mögliche Schwangerschaft mit Still-Wunsch und welche Ängste und Belastungen werden von Müttern mit Epilepsie tatsächlich angeführt? Dazu eine entsprechende Untersuchung mit konkreten Erkenntnissen und vor allem Empfehlungen.


Erwähnte Fachbegriffe:

Epilepsie und weibliches Geschlecht – Epilepsie – Krampfanfall – Absence – komplex-fokaler Anfall – hypermotorischer Anfall – tonisch-klonischer Anfall – psychogener Anfall – Antiepileptika – Antikonvulsiva – Epilepsie-Folgen – Epilepsie-Risikofaktoren – Epilepsie und Verhütung – Epilepsie und Schwan­gerschaft – Epilepsie-Risiken für das ungeborene Kind – Epilepsie und Fehl­bildungen durch Antiepileptika – Erblichkeit von Epilepsien – Epilepsie und Stillen – Antiepileptika und Stillen – Epilepsie in der Menopause – Epilepsie und Partnerschaft – Epilepsie und Sexualität – Epilepsie und Familie – Epilep­sie und Kinderwunsch – Epilepsie und Kinder-Erziehung – Epilepsie-Informati­onen – Antiepileptika-Informationen – Epilepsie und Familienplanung – Schwangerschafts-Ängste epileptischer Frauen – interdisziplinäre Weiterbildung der Ärzteschaft bei weiblichen Epilepsie-Betroffenen – u.a.m.

Epileptische Anfälle machen betroffen, heißt es einleitend in dem entsprechenden Beitrag in dieser Serie. Tatsächlich bringt es nichts, sich hier etwas vorzumachen. Er ist und bleibt beunruhigend, der große Krampfanfall; nicht viel weniger irritieren auch die anderen Anfallsformen wie Absence, komplex-fokaler, hypermotorischer, tonischer sowie klonischer Anfall, ja sogar die psychogenen (rein seelisch ausgelösten) Anfälle ohne organischen Befund.

Dabei sind die heutigen therapeutischen Möglichkeiten mittels moderner Antiepileptika (auch Antikonvulsiva, also krampf-verhindernde Arzneimittel genannt) so erfolgreich wie noch nie. Das setzt allerdings einige Kenntnisse über diese neurologische Krankheit voraus, vor allem was die möglichen seelischen und psychosozialen Konsequenzen anbelangt – oder einfach nur die Befürchtungen davor. Dann können Menschen mit einer Epilepsie so normal und unbehelligt leben und arbeiten, wie andere auch. Das sollte man nicht vergessen.

Leider gilt dies nicht für die Mehrzahl Epilepsie-Betroffener in weniger entwickelten Ländern und auch nicht so optimal wie eigentlich erwartet bei uns. Dabei spricht man von acht für 25% Epilepsie-Patienten, weltweit mindestens 40 Millionen Menschen, die an einer ausgeprägteren Epilepsie leiden; und weitere 100 Millionen, die irgendwann im Laufe ihres Lebens entsprechende Beeinträchtigungen ertragen müssen.

Wissenschaftlich gesehen schätzt man die so genannte Lebenszeit-Prävalenz auf 1,5 bis 5% in der Bevölkerung. Viele davon entwickeln aber keine chronische Epilepsie oder werden wieder anfallsfrei. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem ersten Anfall jedoch einen zweiten zu bekommen, liegt bei etwa 50%, abhängig von Ursache, Art des Anfalls und natürlich von der Behandlung. Hoch ist auf jeden Fall die so genannte Dunkelzimmer jener Betroffenen, die nicht erfasst, nicht korrekt diagnostiziert und damit auch nicht erfolgreich behandelt werden (können).

Die Folgen unzureichender Behandlung

Psychosozial belastend sind dabei weniger die Anfälle, mehr die damit verbundenen zwischenmenschlichen und beruflichen Folgen. Beispiele: keine zureichende Schulbildung, höhere Beschäftigungslosen-Quote (2- bis 3-mal mehr als bei anderen Behinderungen), Neigung zur sozialen Isolation und zu Rückzug sowie verringertes Selbstwertgefühl mit Hilflosigkeit und depressiven Verstimmungen; auf jeden Fall beeinträchtigte Lebensqualität (man denke nur an die begrenzte Bewegungsfreiheit aus Furcht vor „Anfällen“).

Besonders benachteiligt sind Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen. Bei ihnen werden gezielte Diagnose und Therapie am ehesten versäumt. Dabei könnten dreiviertel aller Erkrankten ein normales Leben führen (von den Kosten ganz zu schweigen, die sich allein in Europa auf zweistellige Milliarden-Beträge summieren).

Einzelheiten zu Ursachen, Anfalls-Formen und Risikofaktoren finden sich in dem erwähnten Beitrag in dieser Serie. Und natürlich in vielen Faltblättern und Broschüren mit allgemein verständlicher Darstellung, von den zahlreichen Sach- und Fachbüchern und den nicht mehr überschaubaren Fachartikeln ganz zu schweigen. Auch das Internet gehört inzwischen zum häufig genutzten Informations-Träger, vor allem durch die jüngere Generation.

Frauen mit ihren spezifischen Befürchtungen

Wie erwähnt: Epilepsie-Bedrohte oder gar -Kranke brauchen vor allem fachliche Informationen, um mit dem Alltag so fertig zu werden, wie es gesunden Menschen ganz natürlich vorkommt. Ein Bevölkerungsteil mit besonderem Kenntnis-Bedarf sind Frauen mit Epilepsie. Sie sind durch ihre Krankheit in ganz spezifischer Weise betroffen und benötigen deshalb auch eine spezifische Beratung.

Beispiele: Verhütung, Epilepsie und Schwangerschaft, Risiken für das ungeborene Kind wie mögliche Fehlbildungen durch Antiepileptika, Erblichkeit von Epilepsien, die Wechselwirkungen zwischen hormonellen Veränderungen, epileptischen Anfällen und antiepileptischen Arzneimitteln, Möglichkeiten und Grenzen des Stillens. Und später die Menopause, die drohende Osteoporose u. a.

Oder kurz: Epilepsie und Ausbildung, Beruf, vor allem aber Partnerschaft, Sexualität, Familie, Kinderwunsch und Kinder-Erziehung usf.

Gibt es dazu repräsentative Befragungen? Aus dem angelsächsischen Bereich einige wenige (und zwar auch dort erstaunlich wenig, wenn man an die Bedeutung des Themas für den Alltag in jeglicher Form denkt) – und im deutschsprachigen Bereich bisher keine ausführlicheren Studien.

Dies zu untersuchen war das Ziel entsprechender Fachärzte der Neurologie, die sich der Epilepsie-Forschung, der Diagnose und Therapie solcher Leiden widmen, nämlich die Professoren und Doktoren T. W. May und M. Pfäfflin von der Gesellschaft für Epilepsieforschung, Koordinierungszentrum für Studien in der Epileptologie in Bielefeld bzw. dem Epilepsie-Zentrum Bethel in Bielefeld und I. Coban und B. Schmitz von der Neurologischen Klinik am Universitäts-Klinikum Charité in Berlin, zusammengefasst in dem Fachartikel Frauen mit Epilepsie: Befürchtungen, Wissen, Beratungsbedarf – Ergebnisse einer Querschnittsstudie bei Patientinnen in ambulanter Behandlung in der Fachzeitschrift Nervenarzt 2 (2009) 174-183.

Nachfolgend dazu eine kurz gefasste Übersicht.

Wer wurde befragt?

Bisher finden sich in der Weltliteratur – wie erwähnt – nur wenige konkrete Informationen zu diesem Thema, vor allem aus Großbritannien und den USA. Zwar nur bedingt vergleichbar mit den in Deutschland erarbeiteten Erkenntnissen, wird aber auch dort deutlich:

Viele Frauen mit Epilepsie sind nicht hinreichend über ihre Krankheit informiert, vor allem was die damit verbundenen Einschränkungen und Konsequenzen anbelangt.


Oder kurz: Eigentlich sind weit weniger Ängste und Einschränkungen nötig, als in der Regel befürchtet, man muss nur seinen Beratungs-Bedarf sorgfältig decken. „Wissen ist Macht“, heißt es, auch Macht über eine Krankheit, die so alt ist wie die Menschheit, im Verlauf der Menschheitsgeschichte Millionen betroffen hat (und zwar durchaus auch große Geister, die trotz der „Heiligen Krankheit“ einzigartige Leistungen vollbrachten; Beispiele siehe der erwähnte Epilepsie-Beitrag in dieser Serie.

Aus diesem Grunde wandten sich die Neurologen bzw. Epileptologen an eine Zufalls-Auswahl von niedergelassenen Neurologen/Nervenärzten, die einen speziell dafür erarbeiteten Fragebogen an ihre epilepsie-kranken Patientinnen anonym verteilen sollten („sollten“, denn die Begeisterung und Kooperations-Willigkeit der Kollegen hielt sich in Grenzen, was aber durch die Klientel der Berliner Ambulanz und des Epilepsie-Zentrums Bethel u. a. wieder ausgeglichen werden konnte). So kam man zuletzt auf die angepeilte Zahl von 365 epilepsie-betroffenen Frauen, die den erwähnten umfangreichen Fragebogen mit 17 Items (Fragestellungen) beantworteten.

Das Alter der Patientinnen variierte zwischen 16 und 75 Jahren (Durchschnitt 36,5). Der Schulabschluss konzentrierte sich vor allem auf Mittlere Reife bzw. Fachhochschulreife oder Abitur (zwei Drittel der Befragten). Fast die Hälfte waren Angestellte, Arbeiterinnen oder Beamtinnen, die übrigen selbstständig, Schülerinnen/Studentinnen bzw. in Ausbildung, Hausfrauen, Rentnerinnen oder arbeitslos. Acht von zehn Patientinnen lebten in einer Partnerschaft. Vier von zehn hatten Kinder, zumeist ein oder zwei, einige auch drei und mehr. Die meisten Frauen hatten einen Führerschein (ein sehr wichtiger Aspekt bei der Epilepsie, man kann es sich denken).

Das Alter bei Beginn der Epilepsie zeigte ein weites Spektrum von einem halben Jahr (also als Säugling) bis zum Beginn des Rentenalters, im Schnitt etwa um das 20. Lebensjahr. Die Dauer der Krankheit erstreckte sich deshalb in entsprechendem Rahmen und betraf im Mittel etwa 18 Jahre.

So gut wie alle Patientinnen nahmen Antiepileptika ein und hatten deshalb in der Hälfte der Befragten keine Anfälle mehr, in der anderen Hälfte zwischen einem Anfall pro Woche bzw. Monat (jede Fünfte) bzw. ein bis fünf Anfälle im letzten halben Jahr (jede Dritte).

Was findet sich nun an Ergebnissen zum Thema: Befürchtungen, Wissensstand, Beratungsbedarf von Frauen mit Epilepsie in fachärztlicher Behandlung (letzteres ein sehr wichtiger Aspekt, da dies ja als positive Auswahl gesehen werden muss, man denke nur an die vielen Patientinnen ohne adäquate Betreuung, selbst gewollt oder wegen widriger Umstände)?

Epilepsie, Partnerschaft und Sexualität

Die meisten der befragten Frauen mit Epilepsie hatten einen festen Partner. Deshalb ist es erfreulich zu hören, dass die Epilepsie für die Mehrheit dieser Frauen im Hinblick auf die Partnerschaft keine oder – wenn überhaupt – nur eine geringe Belastung darstellt. Oder in Zahlen: 2/3 „überhaupt nicht“, jeweils etwas mehr als jede Zehnte „ein wenig“ oder „etwas“; nur insgesamt 7,6% ausgeprägter („stark“ oder „sehr stark“).

Noch weniger Probleme gibt es offenbar in sexueller Hinsicht (70%). Nur wenige Prozent haben hier mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Allerdings – so die Experten – weisen andere Studien darauf hin, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen mit Epilepsie häufiger über sexuelle Probleme klagen als in der Durchschnitts-Bevölkerung ohne Epilepsie-Belastung zu hören ist.

Insgesamt aber gilt:

Partnerschaft und Sexualität werfen bei epilepsie-betroffenen Frauen keine ernsteren Konsequenzen auf, zumindest für zwei Drittel der befragten Patientinnen.


Kinderwunsch und Familienplanung

Mehr als 4 von 10 der befragten Frauen hatten eigene Kinder und damit durchschnittlich etwa weniger als der Bundesdurchschnitt (statistisch: 0,85:1,4). Berücksichtigt man jedoch, dass die Stichprobe der Frauen mit Epilepsie jünger und der Anteil der Frauen im gebärfähigen Alter höher war als der Bundesdurchschnitt, relativiert sich dieser Unterschied wieder bzw. pendelt sich auf etwa 20% weniger als erwartet ein, geben die Autoren zu bedenken.

Etwas mehr als die Hälfte der Befragten waren zum Zeitpunkt dieser Studie kinderlos, d. h. etwa 6,6% mehr als durchschnittlich erwartet werden kann. Aber auch hier wieder der Hinweis, dass sich das nach dem Untersuchungs-Zeitpunkt ja noch ändern kann, da sich diese Frauen im gebärfähigen Alter befanden.

Ein anderer Aspekt gibt zu denken, rückblickend, was sich jedoch zum besseren zu ändern scheint: Bei den Frauen mit Epilepsie, die zum Zeitpunkt der Befragung älter als 45 Jahre waren, lag der Anteil der Kinderlosen bei über 41% – und damit fast doppelt so hoch wie auf Grund entsprechender Vergleichszahlen aus Deutschland zu erwarten gewesen wäre. Dies deutet darauf hin, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Einstellung der Frauen (und ihrer Ärzte) zu Fragen des Kinderwunsches geändert haben muss. Potentielle Risiko-Faktoren werden inzwischen offenbar als besser beherrschbar angesehen.

Diejenigen befragten Frauen, die sich gegen eigene Kinder entschieden hatten, hatten oft entsprechende Gründe, wie „Risiko einer Behinderung beim Kind zu groß“ oder „wegen meiner Epilepsie“ oder „Risiko einer Epilepsie beim Kind zu groß“ usf. Und natürlich auch „mein Arzt hat mir wegen meiner Epilepsie abgeraten, Kinder zu bekommen“.

In der Tat: Früher war man vorsichtiger, zurückhaltender, ja ängstlicher, empfahl und registrierte auch „mehr Vernunft“ (nicht zuletzt also auch auf Anraten des Arztes). Inzwischen denkt man darüber deutlich optimistischer, zuversichtlicher und entscheidet sich für ein eigenes Kind.

Ängste der Schwangeren

Bei der Befragung der Frauen mit eigenen Kindern kamen natürlich auch spezifische Ängste bezüglich ihrer Schwangerschaft und späteren Kinder-Betreu­ung auf. Einzelheiten dazu siehe der nachfolgende Kasten.

Ängste und Bedenken von Frauen mit Epilepsie im Hinblick auf Schwangerschaft und Stillen

  • Große Sorgen gemacht, dass das Kind behindert sein könnte (58%)
  • große Sorgen gemacht, dass das Kind auch anfallskrank sein könnte (53%)
  • Befürchtung, dass das Stillen dem Kind schadet (44%)
  • große Bedenken wegen Epilepsie, sich für ein Kind zu entscheiden (39%)
  • einige in der Familie hatten wegen der Epilepsie kein Verständnis für den Kinderwunsch (26%)
  • aus Angst vor Nebenwirkungen der Antiepileptika wurden diese während der Schwangerschaft reduziert oder gar abgesetzt (18%)

Ängste und Belastungen von Müttern mit Epilepsie

  • Angst, dass dem Kind etwas zustößt während des Anfalls der Mutter (49%)
  • Angst, während des Anfalls das Kind zu verletzen (38%)
  • Anfälle mach(t)en dem Kind manchmal Angst (36%)
  • wegen Stress und nächtlichem Aufstehen vermehrt Anfälle (30%)
  • wegen Epilepsie auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen (29%)
  • ungünstiger Einfluss der Epilepsie auf das Verhältnis zum Kind vermutet (8%)

nach T. W. May u. Mitarb., 2009


Die meisten Frauen gaben an, den Kinderwunsch mit ihrem Arzt besprochen zu haben, über mögliche Risiken der Antiepileptika für das Ungeborene und dann Anfällen während der Schwangerschaft ausreichend informiert worden zu sein (jeweils rund bzw. fast zwei Drittel).

Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass sich jede dritte Frau nicht ausreichend über die Risiken informiert hat oder informiert fühlte. Vor allem die Befürchtungen und möglicherweise auch nicht angemessenen Verhaltensweisen, wie z. B. die Reduktion oder gar das Absetzen der Antiepileptika während der Schwangerschaft ohne ärztliche Rücksprache, können mit Informations-Defiziten und der Überschätzung gewisser Risiken verbunden sein, mahnen die Experten.

In vorliegender Untersuchung betraf dies fast jede fünfte Frau (was durch andere Studien bestätigt wird).

Tatsächlich nimmt bei einem Teil der Schwangeren die Anfallshäufigkeit zu. Dies geht zum einen auf die schwangerschafts-bedingte Absenkung der Antiepileptika-Konzentration im Blut zurück (zumindest bei einigen Antiepileptika), nicht selten aber auch auf die unkontrollierte eigenmächtige Reduktion von Antiepileptika durch die Schwangeren selber, wie obige Befragung beweist.

Komplikationen während der Schwangerschaft, die mit der Epilepsie zusammenhingen, nannten ebenfalls ein Fünftel der Frauen (weshalb auch mehr als die Hälfte während der Schwangerschaft besonders intensiv betreut und im Kreissaal überwacht wurden).

Gestillt hatten sechs von zehn Frauen (wobei ein Fünftel erwähnte, dass ihnen vom Arzt davon abgeraten wurde). Über die entsprechenden Ängste und Bedenken siehe die Hinweise im Kasten.

Bei der Kinderbetreuung erhielten sieben von zehn Frauen viel Unterstützung durch den Partner und jede Zweite auch durch die Familie, was in fast jedem vierten Fall auch epilepsie-bedingt notwendig war.

Die Angst vor einem behinderten Kind

Ebenfalls in obigem Kasten finden sich die statistischen Angaben über die größten Sorgen, die sich eine epilepsie-kranke Schwangere macht. Beispiele: dass das Kind behindert oder auch anfallskrank sein könnte (mehr als jede Zweite) oder dass dem Kind während eines Anfalls der Mutter etwas zustößt, dass es verletzt werden könnte oder dass die mütterlichen Anfälle Angst machen (jede Zweite bis Dritte).

Tatsächlich hatten zehn Prozent ein behindertes Kind, wobei aber nur drei von 164 befragten Müttern vermuteten, dass die Behinderung etwas mit ihrer Epilepsie zu tun haben könnte. Die Angst, die Befürchtungen, die Sorgen sind aber nicht einfach wegzuwischen. Das ist nachvollziehbar.

Weniger erklärbar aber ist der Umstand, dass der Informations-Grad, den sich die Mütter selber attestieren, mit dem tatsächlichen Wissen kaum übereinstimmt. Oder kurz: wenig Sach-Kenntnis trotz optimistischerer Meinung darüber.

In der Tat stellen entsprechende Untersuchungen nüchtern fest, dass die Nachfrage nach einer spezifischen Schwangerschaftsberatung für epilepsie-kranke Frauen als insgesamt gering anzusehen ist, trotz großer Patienten-Anzahl. Nun könnte man vermuten, dass die Informationen bereits durch den niedergelassenen Neurologen oder durch die Beratung der entsprechenden Klinik stattgefunden haben, vermuten die Autoren. Doch in der eigenen Befragung gaben nur ein Drittel der Frauen an, dass sie über Risiken im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft nicht ausreichend informiert worden wären. Das hieße aber, dass die selbst-eingeschätzte Informiertheit mit dem tatsächlichen Wissen nur gering übereinstimmt. Und dass der reale Beratungs-Bedarf von epilepsie-kranken Frauen mit Schwangerschaftswunsch möglicherweise unterschätzt wird.

Oder kurz: Mehr konkretes Wissen tut offenbar Not.

Qualifizierte interdisziplinäre Beratung notwendig

„Die Halbwertszeit des Vergessens wird immer kürzer", monieren die Ärzte mit Recht. Oder auf Deutsch: „Heute nimmt man wie selbstverständlich hin, was unseren Vorfahren noch verwehrt war. Dazu gehört auch die erfolgreiche Wirkung der Antiepileptika. Dafür wird gerne über die Neben- und Wechselwirkungen der antikonvulsiven Medikamente geklagt, was sich dann zumeist aber als unzureichender Kenntnisstand herausstellt.

Deshalb müssen sich nicht nur die Patienten und ihre Angehörigen, auch die Ärzte immer detaillierter, lückenloser und beständiger weiterbilden. Dies vor allem dort, wo mehrere Fachbereiche gemeinsam gefragt sind, z. B. bei der epilepsie-kranken Frau mit Schwangerschaftswunsch. Das wären aber nicht nur Neurologen und Gynäkologen, gefordert sind inzwischen auch weitere Berufsgruppen wie Psychologen und Sozialarbeiter. Man denke nur an die Unterstützung bei der Kinderbetreuung oder Bewältigung familiärer Probleme.

Wissens-Lücken bestehen vor allem bei Frauen mit niedrigem Schulabschluss sowie älteren Frauen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, diese Gruppierungen dort abzuholen, wo sie stehen – nämlich bildungs- und verstehens-mäßig. Eine angepasste Information und Beratung ist unerlässlich, wobei man leider nur selten erwarten kann, dass sich die Betreffenden selber darum bemühen. Immerhin haben jüngere Frauen ein offensichtlich größeres Informations-Bedürfnis und interessieren sich auch eher für Schulungs-Programme und Hinweise aus dem Internet.

Das gibt zu Hoffnung Anlass, dass die z. T. unnötigen, mitunter aber tragischen Wissens-Defizite, vor allem die Überschätzung gewisser Risiken (z. B. von angeblichen Fehlbildungen durch Antiepileptika oder Vererbung von Epilepsien) deutlich eingegrenzt werden können. Dann dürften auch weniger Frauen während der Schwangerschaft ihre Medikamente gegen Anfälle ohne Rücksprache mit dem Arzt absetzen oder sich gegen eigene Kinder entscheiden.

Leider sind die Schwangerschaften jedoch häufig ungeplant (bis zu jeder zweiten Schwangerschaft bei Frauen mit Epilepsie?). Eine Konsultation erfolgt deshalb oft erst nach eingetretener Schwangerschaft (z. B. nach der 4. Schwan­gerschaftswoche), was den Erfolg der Beratung deutlich einschränkt.

Schlussfolgerung

Frauen mit Epilepsie sind deshalb in besonderer Weise durch ihre Erkrankung betroffen und benötigen spezifische Beratung, was so bedeutsame Themen wie Verhütung, Schwangerschaft und Risiken für das ungeborene Kind anbelangt (Stichworte: Fehlbildungen durch Antiepileptika, Erblichkeit von Epilepsien, Geburts-Komplikationen, Still-Wunsch u. a.).

Leider ist das entsprechende Wissens-Defizit sehr begrenzt, insbesondere bei älteren Frauen. Es besteht ein großer Beratungs- und Unterstützungs-Bedarf, der von den dafür zuständigen Ärzten, nämlich Neurologen und Gynäkologen, aber ggf. auch Psychiatern, Psychologen und Sozialarbeitern garantiert werden sollte, geben die Autoren dieses informativen Fachartikels zu bedenken.

Literatur

Bauer, J. : Epilepsie, Schwangerschaft und Fertilität. Steinkopff-Verlag, Darmstadt 2005

Duschek, K.-J., A. Wirth : Kinderlosigkeit von Frauen im Spiegel des Mikrozensus. Statistisches Bundesamt – Wirtschaft und Statistik, Bonn 2005

Fröscher, W. u. Mitarb. (Hrsg.) : Die Epilepsien. Schattauer-Verlag, Stuttgart-New-York 2004.

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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