Anke Rohde:
RUND UM DIE GEBURT EINES KINDES:
DEPRESSIONEN, ÄNGSTE UND ANDERE PSYCHISCHE PROBLEME
Ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige und ihr soziales Umfeld
Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 2004. 264 S., € 19,-.
ISBN: 3-17-018454-7
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„Schwangerschaft und Geburt gehören zu den einprägsamsten Erlebnisse im Leben einer Mutter, aber auch Vater, Geschwister, Angehörige und sogar Freundeskreis u. a. Das gilt für den Fall eines glücklichen Ausgangs – und noch mehr, wenn schicksalhafte Ereignisse drohen. Dazu gehören nicht zuletzt seelische Störungen der Mutter. Dabei können sogar Phänomene belasten, die erst einmal als normal gelten: zwiespältige Gefühle, Ängste und Unsicherheiten, vor allem was Geburts-Ängste und mögliche körperliche Beeinträchtigungen anbelangt, nicht zuletzt als Folge hormoneller Veränderung. In der Tat zermürbend kann das Schwangerschafts-Erbrechen werden und bedrohlich für Mutter und Kind die Präeklamsie, die „Schwangerschaftsvergiftung“. Noch einschneidender sind schließlich Schwangerschaftsabbruch, Fehlgeburt oder gar Totgeburt.
Darüber hinaus gibt es aber auch seelische und psychosoziale „Komplikationen“ wie die verdrängte, das unbeeinflussbare Ignorieren oder gar die völlige Verleugnung einer Schwangerschaft. Dazu die Folgen früherer Traumatisierungen (also seelische Verwundungen). Und schließlich konkrete psychische Erkrankungen: Anpassungs-, Angst-, Zwangs- und somatoforme Störungen, Depression und Manie, schizophrene Psychose, Suchterkrankungen, Ess- und Persönlichkeitsstörungen u. a.
Große Sorgen bereiten auch Psychopharmaka in der Schwangerschaft, vor allem, wenn man sich nicht fachärztlicher Beratung versichert (und deshalb die bisher stabilisierenden Medikamente spontan absetzt und damit einem Rückfall aussetzt, der ggf. viel bedrohlicher werden kann als eine neuro-psychiatrisch geleitete Fortführung der bewährten Therapie).
Viel häufiger als vermutet, sind auch seelische Störungen nach der Entbindung. Dazu gehören nicht nur die gewohnten „Heultage“, sondern erneut die schon erwähnten posttraumatischen Belastungsstörungen, beispielsweise nach einer traumatisch erlebten Entbindung, von der so genannten postpartalen Depression ganz zu schweigen, einschließlich schizophrenie-naher oder manischer Krankheitsverläufe.
Dies ist die Einleitung zu einem ausführlichen Kapitel über Schwangerschaft, Geburt und seelische Störung in dieser Serie. Sie darf deshalb zu wortgleich übernommen werden, weil sie ein Buch von der gleichen (Haupt-)Autorin bespricht, nämlich Anke Rohde und Almut Dorn über Gynäkologische Psychosomatik und Gynäkopsychiatrie im Schattauer-Verlag, Stuttgart 2007. Die Rezension zu diesem empfehlenswerten Fachbuch findet sich auch unter dem Titel Zum Thema: Plastische Chirurgie, ebenfalls in dieser Serie.
Hier nun soll das Buch aus dem Kohlhammer-Verlag von Frau Professor Dr. Anke Rohde von der Gynäkologischen Psychosomatik am Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Universität Bonn besprochen werden: Rund um die Geburt eines Kindes: Depressionen, Ängste und andere psychische Probleme.
Dieses Buch nun ist ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige und ihr soziales Umfeld. Um es gleich vorwegzunehmen: Es dürfte nichts auslassen, was den Interessenten-Kreis zu diesem Thema betrifft. Es ist eine umfassende Zusammenstellung, der man die Arbeit und vor allem die Sorgen, Probleme, insbesondere aber Fragen anmerkt, die sich aus dem Alltag ergeben. Das beweist schon der Aufbau dieses Buches, eingeteilt in Kapitel über die wichtigsten Fakten und Zahlen (was man über die psychischen Störungen rund um die Entbindung wissen sollte), die Störungsbilder und ihre Behandlung im Einzelnen, Probleme in der Schwangerschaft und erneut in einem eigenen Kapitel: häufig gestellte Fragen. Danach mehr als zwei Dutzend Fallbeispiele, die die vielleicht vorher zu abstrakten Themen noch einmal lebensnah veranschaulichen.
Und schließlich ein Lexikon der Symptome von Affektlabilität bis Zwangssymptome, das wiederum die „Bodenhaftung“ der Autorin beweist (und was man so manchen anderen Autoren gerne zur Nachahmung ans Herz legen würde…).
Der gleiche hilfreiche Stil dann bei den Kapiteln „Was ist zu tun beim Leitsymptom Angst, Depressivität, Suizidalität, Schlafstörungen, Stimmenhören u. a.?“ Dann noch einmal die Diagnosen für speziell Interessierte und schließlich die Therapie mit Wirkung und Nebenwirkungen. Das geht von den Hormonen über die Psychopharmaka bis zur Psychotherapie einschließlich Entspannungsverfahren, Lichttherapie, transkranielle Magnetstimulation, Schlafentzugstherapie, Elektrokrampftherapie u. a.
Den Anhang bilden Selbstbeurteilungs-Fragebogen, eine Medikamenten-Übersicht und weiterführende Links sowie Literatur. Ausführlich das Stichwortverzeichnis, bekanntermaßen das „Schaufenster“ eines Buches und für die Ratgeber-Literatur besonders wichtig.
Das Buch schließt die berühmt-berüchtigte „Lücke“, und zwar nicht weil es derlei nicht etwa schon früher gegeben hätte, sondern weil es hier in komprimierter Form in einem Umfang verfügbar ist, wie er in deutscher Sprache seinesgleichen sucht. Außerdem in der glücklichen Kombination aus Fach-Information und einem durchweg spürbaren Bemühen der Autorin um Allgemein-Verständlichkeit. Das mag nicht immer durchgehend geglückt sein, dafür gibt es aber die erwähnten Nachschlag-Möglichkeiten im gleichen Buch. Außerdem mag der eine oder andere Kritiker einwenden, dass es sich hier um ein ungeheuer dichtes Informations-Angebot handelt. Aber dann muss einem auch erklärt werden, wie man es besser machen soll, vor allem was den durch den Umfang bekanntlich limitierten Lese-Anreiz anbelangt. Auch wird man das Buch nicht durchgehend lesen, sondern nach Bedarf nachschlagen, wofür es auch konkret konzipiert ist (s. o.).
Und hier ergibt sich aus unserer Sicht ein weiterer Lesekreis, der nicht unbedingt intendiert sein dürfte: gemeint sind Ärzte und Psychologen. Wenn Sie das alles wissen, was hier an Informationen geboten wird, dann mögen Sie diese Rezension vergessen. Wenn Sie ein hilfreiches Instrument wünschen, das Ihnen nicht nur interessante, vor allem alltags-relevante Fakten bietet, sondern auch noch die allgemein-verständliche Formulierung für ihre Patientinnen, dann ist dieser Ratgeber auch für sie ein Gewinn (VF).
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