Anton A. Bucher:
PSYCHOLOGIE DES GLÜCKS
Ein Handbuch
Beltz-Verlag, Weinheim-Basel 2009. 268 S., € 29,95
ISBN 978-3-621-27653-5
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Glück! Wer nicht? Wer möchte nicht glücklich sein, wenigstens einmal. Es dürfte kaum ein Wort geben, das eine solche Faszination auslöst. Kein Wunder. Glücklichsein, das höchste aller möglichen Gefühle. Natürlich gibt es Begriffe bzw. Emotionen, die vernünftiger, realistischer, effektiver usf. sind. Dazu gehören in konstruktiver Sicht vor allem Zufriedenheit und Gelassenheit. Aber das riecht auch schon ein wenig nach Alters-Weisheit; hier hängen halt die Trauben auch schon etwas höher…
Gleichwohl darf man sich in jeder Position, in jedem Alter, in jeder Vernunft-Haltung etwas Glück wünschen. Aber dann drängt sich schon die Frage auf: Was ist Glück? Welche Wünsche müssen hier erfüllt sein? Das hängt von vielerlei ab. Und weil es sich nach einigem Nachdenken so breit und schwer fassbar darstellt, hat es die strenge Wissenschaft bisher auch eher vernachlässigt. Die Literaten und Philosophen vielleicht weniger (z. B. Aristoteles: „Das höchste Gut“ bzw. L. Marcuse: „Eine Sehnsucht, die nicht altert“ u. a.), die Soziologen, Psychiater und Psychologen jedoch schon. Dieses Schicksal teilt Glück mit anderen positiven Emotionen wie Freude, Wohlbefinden etc. Negative Gefühle hingegen erfreuen sich höchster wissenschaftlicher Popularität. Beispiele: Depressionen, Angst und Ärger mit weitem Abstand. Über das Glück wird beispielsweise 20-mal seltener geforscht und publiziert als über Schwermut, Melancholie, affektive Störungen. Warum?
Die Psycho-Berufe werden halt nur dann konsultiert, wenn Probleme auftreten, Schwierigkeiten drohen, psychosoziale Konsequenzen Furcht verbreiten. Aber auch ein anderer Aspekt gibt zu denken: Wer unglücklich ist, kann Gründe angeben, wer glücklich ist schon weit weniger. Wer unglücklich ist, denkt darüber nach. Wer glücklich ist – genießt.
Doch trotz des mangelhaften wissenschaftlichen Interesses gibt es auch eine Glücks-Psychologie, wenngleich erst ein halbes Jahrhundert alt. Man entwickelte Glücks-Skalen, lancierte groß angelegte Befragungen, etablierte schließlich sogar eine „Science of Happiness“. Das sind allerdings die USA, die hier dominieren, neuerdings vor allem auf neuropsychologischer Ebene. Das hat Folgen. Denn jetzt rücken auch die Ökonomen, die Politiker, selbst die Juristen an, von den Journalisten ganz zu schweigen. Jetzt entwickeln sich auch spezialisierte Forschungszweige, wissenschaftliche Gesellschaften, Fachzeitschriften und Buchreihen. Und im Gefolge der angelsächsischen Pioniere finden sich dann auch beispielsweise deutsche Interessenten und Institutionen. Warum die plötzliche Wendung?
Professor Dr. Anton A. Bucher vom Fachbereich Praktische Theologie und Religionspädagogik der Universität Salzburg hat dazu wohl eines der ersten wissenschaftlich fundierten, inhaltsreichen und trotzdem gut lesbaren Handbücher in deutscher Sprache herausgegeben, nämlich die Psychologie des Glücks im Beltz-Verlag. Auf diesem Gebiet ohnehin wissenschaftlich bewandert und publizistisch erfolgreich, bringt er uns jetzt auf vielfältige Weise dem Phänomen näher: literarische Schilderungen, subjektive Glückkonzepte, qualitative Studien aus aller Welt und in verschiedenen Kulturen, jetzt auch aus Deutschland. Und die Frage: Lässt sich Glück messen (Selbsteinschätzung und Fremdbeurteilung, Kurzverfahren der Glücks- und Zufriedenheitsmessung, Glücksskalen, Glücksinventare u. a.). mit ihren Vor- und Nachteilen, ihren hoffnungsvollen und wundersamen Ergebnissen, Stärken und Schwächen u. a.
Dann natürlich der moderne Trend, früher sträflich vernachlässigt, heute ggf. ein wenig überzogen, aber allemal als Grundlage ernsthaft zu berücksichtigen: biologische, genetische und persönlichkeits-psychologische Glücksfaktoren: Wie steht es um erbliche, persönlichkeits-spezifische, emotionale, intelligenz-basierte, neuro-psychologische, neuro-hormonelle u. a. Aspekte? Wie steht es um die Faktoren Geschlecht, Alter, Bildung, demoskopische, regionale, nationale, ökonomische, politische, religiöse Einflüsse? Und neben den soziodemographischen Variablen wie soziale Nah-Beziehungen und Tätigkeiten um Liebe, Ehe, Partnerschaft, Familie, Kinder, Freunde, Freizeit, Arbeit, Ehrenamt – und natürlich Kummer, Sorgen, Schwierigkeiten und Defizite auf diesen Gebieten?
Und nochmals verdichtet die Glückfaktoren Religiosität und Spiritualität: christliche und nicht-christliche Religionen, außerkirchliche spirituelle Einflüsse, meditativ-spirituelle Praktiken, mystische Gesichtspunkte, die Frage nach altruistisch-karitativem Handeln, nach Vergeben, Verzeihen und Dankbarkeit. Alle Aspekte, die der wissenschaftlichen Bearbeitung harren und vor allem in ihrer mehrschichtigen Komplexität ausführlich durchdiskutiert werden müssen.
Und schließlich: Was bewirkt Glück? Fördert Glück die Gesundheit generell, vor allem die kognitiven Fähigkeiten, insbesondere Flexibilität, Innovationskraft und Kreativität? Erleichtert und beschleunigt es das Lernen? Hat es Einfluss auf moralische und altruistische Einsstellungen? Sind Glückliche wirklich erfolgreicher, gesünder und integerer – oder halten sie sich nur dafür? Sind glückliche Menschen Realisten oder realitäts-blinde Phantasten?
Wie auch immer, eines interessiert alle, nämlich die Frage: Wie lässt sich Glück erhöhen, falls überhaupt? Wie steht es also um Glücksteigerungs-Strategien im Alltag, z. B. durch chemische Substanzen, ausgewählte psychologische Empfehlungen, positive Imaginationen, vielleicht auch „nur“ Dankbarkeit, Vergebung und gute Taten (siehe oben)? Und soll man das alles so perfekt wie möglich anstreben? Wie sollen sich insbesondere die helfenden Berufe darauf einstellen, d. h. Beratung, Diagnose, Therapie, Rehabilitation aus allgemein-medizinischer, psychiatrischer und psychologischer Sicht? Das Gleiche für Seelsorge, aber auch Wirtschaft, Kultur, Sport, Politik, Medien u. a.?
In der Werbung würde man lesen: Das Buch von Professor Anton A. Bucher gibt auf alle diese Fragen erschöpfend Antwort. Und genau das tut es nicht, denn es ist trotz eines erstaunlich umfassenden Wissens-Angebots konstruktiv kritisch. Es bleibt auf dem Boden und vermittelt deshalb ein wohltuendes Vertrauen in die ja nun in der Tat begrenzten Möglichkeiten der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich damit beschäftigen (sollen). Und weil es – wie gesagt – so anregend, gut verständlich und stellenweise richtig flott geschrieben ist, empfiehlt es sich auch für interessierte Laien, die wissen wollen, ob Aristoteles wirklich recht hatte: „Glück – das höchste Gut“ (VF).
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