Waltraud „Wara“ Wende (Hrsg.):
WIE DIE WELT LACHT
Lachkulturen im Vergleich
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2008. 349 S., € 49,80
ISBN: 978-3-8260-3592-0
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Menschliche Grundrechte lassen sich auf Dauer nicht unterdrücken, vor allem wenn sie zu der anthropologischen Basis-Ausstattung gehören. Was ist gemeint? Der Humor, und mit ihm das Lachen.
Humor ist nicht Jedermann gegeben, wer bezweifelt dies. Und auch das Lachen kann sehr unterschiedlich ausfallen, je nach Anlass, Umfeld – und vor allem genetischer Ausgangslage. Wer kennt sie nicht, die „professionellen Sauerampfer“, deren Auftritt sofort jedem die Luft nimmt. Es bezweifelt aber auch niemand, dass solche Menschen selber am unglücklichsten sind.
Es gibt natürlich Zeiten, Phasen, Episoden aus gesellschaftlicher Sicht, in denen Humor und Lachen eine ganz unterschiedliche Wertung und damit Verbreitung schaffen. Das geht zwar anderen Aspekten im menschlichen Leben nicht anders (z. B. die Fragen um Geld, Vertrauen, Moral, Religiosität, Macht, Schönheit u. a.). Bei Humor und Lachen aber handelt es sich um eine besondere Komponente, ja Verantwortung (auch wenn niemand zu sagen weiß, in wessen Verantwortung sie fällt). Denn Humor-Fähigkeit und Lachen haben psychohygienische Auswirkungen – und damit auch vorbeugende, ja heilende Aufgaben. Gerade Deutschland kann in seiner Geschichte der letzten 100 Jahre praktisch alle Varianten von Humor und Lachen aufbieten, vom Kaiserreich über die Goldenen Zwanziger bis zur Katastrophe des III. Reiches und schließlich die Nachkriegszeit, das Wirtschaftswunder, die 68er und zuletzt das Heute, Hier und Jetzt.
Deshalb interessieren sich inzwischen auch die Wissenschaftler für Humor und Lachen, allen voran die Psychologen und Psychiater, und hier insbesondere die Psychotherapeuten. Wer hätte je gedacht, dass der wohl bekannteste Kongress dieser Art, die Lindauer Psychotherapie-Wochen bei ihrem 58. Treffen im Jahr 2008 das Leitthema „Lachen“ (aber auch „Weinen“) wählen (3.500 Teilnehmer aus 12 Ländern, 230 Referenten, die natürlich nicht alle zu diesem Thema Stellung nehmen, aber wohl nicht umhin können, zumindest einen Nebensatz dazu zu äußern).
Bücher über Humor und Lachen gibt es nebenbei zahllose, meist Witze-Sammlungen. Radio und Fernsehen kommen auch nicht mehr ohne aus, leider oft genug mit beklagenswertem Niveau, bis hin zur unverblümten Anstachelung zur Schadenfreude, ja Bloßstellung. Sachbücher zum Thema gibt es auch, wenngleich oftmals zu trocken, um einen freudigen Lese-Anreiz zu bieten. Dafür gibt es wahre Meister des wirklichen Humors in deutscher Sprache, und zwar seit jeher und auch in jüngster Zeit (obgleich die Experten jammern, dass die „feinsten Köpfe“ sich entweder altersbedingt zurückgezogen haben oder bereits verstorben sind, adäquater Nachwuchs sei kaum in Sicht). Fachbücher, die sich wissenschaftlich mit Humor und Lachen auseinandersetzen, sind hingegen selten. Sie werden wohl auch kaum gekauft (im Gegensatz zu platten Witzbüchern), weshalb sich die Verlage bedeckt halten, es sei denn, es findet sich ein Sponsor (s. u.).
Das ist im vorliegenden Fall gegeben – glücklicherweise. Frau Professor Dr. Waltraud „Wara“ Wende von der Reichsuniversität Groningen (Niederlande) organisierte 2005 an der Universität Duisburg/Essen ein Symposium zum Thema „Wie die Welt lacht“, das mit Hilfe mehrerer Stifter dann auch als Buch erscheinen konnte (erweitert durch Beiträge einer Nachfolge-Tagung, die dann aber aus organisatorischen Gründen nicht stattfinden konnte). Was finden wir in diesem empfehlenswerten Sammelband mit fast zwei Dutzend Artikeln von namhaften Professoren der Germanistik, politischen Wissenschaften, der Philosophie, der Geschichte, der Pädagogik, der Medienwissenschaften, der Ästhetik und Kommunikation, der allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft, der Sprachwissenschaft, der Kunstgeschichte, der Publizistik, der Theaterwissenschaft u.a.m.?
Überaus informative, stellenweise köstliche und auf jeden Fall allgemein interessante (und zumeist verständliche, bisweilen aber auch sehr hoch angesiedelte und inhaltlich dichte) Beiträge, wie sie die nachfolgenden Kurzfassungen skizzieren sollen: Wie die Welt lacht; Ironie als Lebensform; über das japanische Lachen; Witz und Geist in der französischen Konversation; englischer Humor (die Absurdität der Normalität); subversives Gelächter als erzählerische Strategie; der kanadische Witz; die Lust des Lachens und die kitzeligste Stelle der Bundesrepublik; Lachen als Therapie; Humor als Mittel zur Dekonstruktion des nationalen Mythos in Estland; schmerzerfüllte Kalauer; satirisch-karnevaleske Antworten auf den Holocaust; malediktologische Beobachtungen zum Humor schweizerischen Fluchens; Aspekte des Kabaretts der Gegenwart; vom Fernsehkabarett zur Tele-Comedy; das Lachen der Subalternen; humoristische Cartoons in niederländischen Zeitungstexten; gallisches Lachen (Asterix und Co.); die unfreiwillige Komik der Komik-Forschung; Humor und Geschlechterformation u. a.
Diese Übersicht sollte neugierig machen. Sie wird die Neugier befriedigen: wissenschaftlich und „menschlich“ zugleich. Wir empfehlen dieses Buch allen jenen, die sich das Lachen nicht nehmen lassen – auch nicht durch den mitunter dominierenden (medien-gesteuerten?) „Humor“ unserer Zeit (VF).
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