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H.-B. Rothenhäusler, K.-L. Täschner:
KOMPENDIUM PRAKTISCHE PSYCHIATRIE
Springer-Verlag, Wien-New York 2007. 569 S., 139 Tab., € 34,95.
ISBN: 978-3-211-48641-2

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Das Kompendium Praktische Psychiatrie ist ein Lehrbuch wie früher. Ist das nun Lob oder Häme? Deshalb noch einmal deutlicher: ein Lehrbuch „von altem Schrot und Korn“. Oder in modernen Worten: inhaltlich fundiert, wissenschaftlich auf dem neuesten Stand und dabei lesefreundlich.

Lehrbücher der Psychiatrie gibt es schon seit über 100 Jahren. Einige sind noch heute lesenswert, und zwar nicht nur historisch (z. B. Kraepelin, Bleuler, Kloose u. a.). Wo die „Alten“ nach wie vor führend sind, ist ihr lebensnaher, alltags-relevanter, plastisch anschaulicher und damit einprägsamer, für die konkrete Arzt-Patient-Situation hilfreicher Inhalt. Da wirken moderne Lehrbücher häufig blutleer, „technisch-mechanistisch“ und nicht zuletzt dem Verdacht ausgeliefert: ich auch.

Das ist eine herbe Einschätzung, aber auch die leider oft zutreffende Summe kritischer Kommentare. Dass der Wissens-Inhalt explodiert und damit Sammelwerke von mehreren Pfund Gewicht gebiert, ist die eine Seite, wahrscheinlich nicht zu umgehen und deshalb auch nicht kritikwürdig. Dass aber das beklagte Defizit an lebendiger Schilderung immer größer wird, und dies bei einer Aufgabe, die eine höchst-mögliche „Menschen-Nähe“ anmahnt, dass ist eine traurige Entwicklung – nicht zuletzt für die Betroffenen. Deshalb die eingangs ggf. unklare Beurteilung: ein Lehrbuch wie früher.

Tatsächlich haben sich hier zwei praxis-orientierte Professoren zu einem gemeinsamen Werk zusammengefunden, das dem breiten Erkenntnis-Spektrum von der alten Seelenheilkunde bis zur modernen Psychiatrie soweit Rechnung trägt, wie es sich im Alltag von Praxis, Ambulanz und Klinik überhaupt umsetzen lässt (einschließlich nicht-psychiatrischer Interessenten aus anderen medizinischen Disziplinen). Daneben aber finden sich zahlreiche Hinweise, die „abgehobene“ Lehrbücher (bzw. ihre Autoren) als nicht mehr vermittlungs-würdig erachten – ein verhängnisvoller Trugschluss. Hier gehen die Professoren Hans-Bernd Rothenhäusler (Universitätsklinik für Psychiatrie Graz) und Karl-Ludwig Täschner (Zentrum für Seelische Gesundheit – Bürgerhospital Stuttgart) grundlegender vor, unterstützt durch über 100 Tabellen. Das beginnt mit der Einführung (das Arbeitsfeld der Psychiatrie, Einteilungsprinzipien psychischer Störungen mit historischen Ergänzungen) über diagnostische Prinzipien (Exploration, Anamnese, vor allem aber der psychopathologische Befund in einer Ausführlichkeit, die man in selbst dick-leibigen Folianten kaum mehr findet) bis zu test-psychologischen sowie technischen Unterstützungsverfahren. Danach folgen die Psycho-, Sozio- und Pharmakotherapie einschließlich älterer und aktueller Ergänzungen wie Elektrokrampf- und Lichttherapie, Schlafentzug, repetitive transkranielle Magnetstimulation, Vagusnerv-Stimulation u. a.). Umfassend und so viele Aspekte wie möglich enthält der spezielle Teil, nämlich organische bzw. symptomatische psychische Störungen, Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen, affektive, neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen, Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen bis zu Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Intelligenzminderung, Kinder- und Jugendpsychiatrie u. a. Selbstverständlich fehlen auch nicht Konsiliar- und Liaison-Psychiatrie, das wichtige Kapitel über psychische Notfälle und – immer bedeutsamer werdend – Psychiatrie und Recht.

Das Literaturverzeichnis anderer Lehrbücher ist bekanntlich ein „anglo-amerikanisches Schaufenster“, was aber nicht nur Ehrfurcht, sondern vor allem Ratlosigkeit zu hinterlassen pflegt. In diesem Fall geht es um weiterführende und benutzte Literatur, überwiegend Deutsch und mit immerhin 163 Zitationen auf das Wichtigste (siehe praktischer Alltag) beschränkt. Dazu ein interessantes Personenverzeichnis, ein Pharmaka-Verzeichnis auf dem neuesten Stand und ein ergiebiges Sachverzeichnis von fast 30 Seiten kleingedruckter Stichwörter für die rasche Information.

Das Kompendium Praktische Psychiatrie ist – wie erwähnt – eines von fast drei Dutzend psychiatrischen Lehrbüchern, von denen sich eine ganze Reihe inzwischen dem Taschenbuch-Format bedient. Eine gute Idee, aber am effektivsten für den Nutzer, wenn es sich nicht nur um eine Aufreihung von Stichwörtern handelt, sondern um eine konkrete Anleitung im meist ohnehin schwierigen Arzt-Patient-Verhältniss. Eben wie früher – siehe oben (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).