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Kritisches zum Thema Burnout:

Th. M. H. Bergner:
BURNOUT BEI ÄRZTEN
Arztsein zwischen Lebensaufgabe und Lebens-Aufgabe
Schattauer-Verlag, Stuttgart-New York 2006. 267 S., € 29,95.
ISBN-10: 3-7945-2529-9

Th. M. H. Bergner:
BURNOUT-Prävention
Das 9-Stufen-Programm zur Selbsthilfe
Schattauer-Verlag, Stuttgart-New York 2007. 272 S., € 29,95
ISBN: 978-3-7945-2585-0

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Scharfzüngige Kritiker sind der Ansicht: Offenbar braucht jede Zeit ihr „dunkles Highlight“, das die Gesellschaft ausbrütet, die Medien via Vergrößerungsglas aufblähen – und das dann wie durch ein Brennglas zum Flächenbrand geworden auf die Allgemeinheit zurückschlägt. Vielleicht ein wenig einseitig gesehen und forsch formuliert, aber so ganz unrichtig ist es nicht, vor allem wenn man bestimmte Sparten betrachtet (Mode, Sport, Technik, ja sogar Religion, Kultur, Kriminalität u. a.). Die Medizin im Allgemeinen und die Psychiatrie im Besonderen würde man hier gerne heraushalten, aber es fällt schwer, vor allem wenn man sich über die letzten Jahrzehnte einen gewissen Überblick verschafft hat, einen nachdenklich stimmenden Rückblick.

Denn es gibt tatsächlich aus epidemiologischer, diagnostischer, differentialdiagnostischer, ätiopathogenetischer, therapeutischer und präventiver Sicht eine Art Wellenbewegung bestimmter Krankheiten, ein Auf und Ab, ein Kommen und Gehen, ein Gestern, Heute und demnächst wohl auch Morgen. Um bei der alten Seelenheilkunde und jetzigen modernen Psychiatrie zu bleiben: Früher gab es eigentlich „nur“ die Schizophrenie, unter den Suchtkrankheiten Alkoholismus, die hirnorganischen Störungen (unter die dann auch noch die Demenz subsumiert wurde), am Rande die Persönlichkeitsstörungen (Psychopathien genannt) und die Schwermut. Dann kam die Psychoanalyse mit ihren neurosen-psychologischen Krankheitsbildern (die übrigens – je nach Schule – auch derart gewechselt haben, dass man sich bisweilen schon wundern musste, wie man der kranken Seele beizukommen suchte; inzwischen sind die Neurosen aber aus den großen Klassifikationen von Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Amerikanischer Psychiatrischer Vereinigung (APA) gestrichen).

„Moderne“ seelische Leiden

Und dann kam die zweite Hälfte des letzten, des 20. Jahrhunderts mit Leiden, die zwar (fast) alle so alt wie die Menschheit sind, aber gleichsam neu entdeckt, beforscht, publiziert wurden – und eine wachsende Patienten-Klientel nach sich zogen („auslösten“, behaupten die erwähnten Kritiker).

Dazu gehören beispielsweise die Depressionen, die heute nicht nur zu den gefürchtetsten, sondern auch noch zu den häufigsten seelischen Krankheitsbildern zählen. Es wird nicht mehr viele geben, die sich daran erinnern können, dass selbst Psychiater (früher Nervenärzte, also Psychiater und Neurologen) lange Zeit dieser wachsenden diagnostischen und therapeutischen Herausforderung durchaus kritisch gegenüber standen. Inzwischen gehören die Depressionen zum wichtigsten „Aufgaben- bzw. Arbeits-Gebieten“ der Psychiater (und mehr und mehr auch der Hausärzte).

Danach „kamen“ die Angststörungen (ganz früher kein Thema, dann als Angst-Neurose jahrzehntelang nur psychoanalytisch gedeutet und behandelt), die heute – wie die Depressionen auch – als überwiegend biologisch fundiert erkannt, anerkannt und deshalb auch im Idealfall kombiniert, d. h. psychotherapeutisch und pharmakotherapeutisch behandelt werden. Auch die Angststörungen brauchten lange (wenn auch nicht so lange wie die Depressionen), bis sie in das fachärztliche, hausärztliche und schließlich allgemeine Verständnis vorgedrungen sind (zum Teil aber noch immer unzulänglich bis falsch behandelt werden, man denke nur an die Panik-Attacken, die unfassbar oft kardiologisch „hängen bleiben“).

Manchen werden diese Zeilen nur ein ungläubiges Lächeln abverlangen, denn die „Halbwertszeit des Vergessens“ wird immer kürzer. Vielleicht gewinnt ihr Verständnis aber an Boden, wenn man sie mit den gerade „gängigen“ oder in wissenschaftlicher Diskussion stehenden seelischen Leiden konfrontiert. So hat die Borderline-Persönlichkeitsstörung gerade wohl die „Zielgerade der Akzeptanz“ erreicht, kostet gewaltige Therapie-Summen (vor allem stationär) und stellt ihre Therapeuten vor nicht wenige seelische, aber auch psychosomatisch interpretierbare und vor allem psychosoziale Probleme. Der alte Wesenszug des Narzissmus hingegen kämpft als umschriebenes Krankheitsbild noch um seine Anerkennung und die Multiple Persönlichkeitsstörung, als Dissoziative Identitätsstörung vielleicht noch weniger bekannt, heizt derzeit sogar die fachärztlichen und -psycho­logischen Diskussionen an.

Ebenfalls lange Zeit nicht ernst genommen, dann aber geradezu „brutal hartnäckig“ eine Spur der allgemeinen(!) Belastung bis Zerstörung (Endstation Vollzugsanstalt?) nach sich ziehend: die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), im Volksmund lediglich als „Zappelphilipp“ bekannt (von seinem verzweifelten, weil selber betroffenen Erst-Beschreiber, dem psychiatrischen Chefarzt Dr. Hoffmann aber schon vor 150 Jahren weitsichtig erweitert als „Zappelphilipp“ – „Hans Guck in die Luft“ – „Suppenkasper“ – und vor allem dem „bösen Friederich“; alles ADHS-Variationen oder Krankheits-Schwerpunkte, die heute wissenschaftlich belegbar sind und gezielt, ja insbesondere pharmakotherapeutisch gezielt behandelt werden). ADHS wird in unserer Gesellschaft (eine wachsende?) „Belastungs-Säule“ bleiben, obgleich sie vor wenigen Jahrzehnten gänzlich unbekannt war bzw. unter anderen Fach-Begriffen nur in Experten-Kreisen diagnostisch diskutiert und therapeutisch mit Resignation beantwortet wurde.

Während aber ADHS inzwischen anerkannt und von den (Fach)Ärzten auch „alters-invers“ abrechenbar wurde, zumindest teilweise (eine übrigens groteske Geschichte, aber das würde hier zu weit führen), hat sich ein anderes Phänomen langsam, beharrlich, still und leise, dafür riskant bis gefährlich für die Betroffenen, ihr Umfeld und die ganze Gesellschaft in den Vordergrund geschoben, gleichsam maulwurfs-artig, „unterirdisch“, nur durch sonderbare „Erdhügel der Verzweiflung und des Zusammenbruchs“ auf sich aufmerksam machend: das Burnout-Syndrom.

Das Burnout-Syndrom – was ist das?

Burnout, wie praktisch alles „Moderne“ aus dem angelsächsischen Bereich nach (Mittel-) Europa herüberschwappend, hat es allerdings noch nicht zu der offiziellen Absegnung durch die Amerikanische Psychiatrische Vereinigung (APA) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschafft (bzw. bei Letzterer verschämt unter dem nun wirklich allerletzten Klassifikations-Kapitel Z 73.0 = „Zustand langwieriger Erschöpfung“ firmierend). Und doch droht hier eine ernsthafte Entwicklung, die zudem kein offenes Feuer, sondern ein heim-tückischer Schwelbrand unserer Zeit und Gesellschaft werden dürfte. Auf Einzelheiten muss hier kaum eingegangen werden, das Burnout-Syndrom ist ein allgemeines, inzwischen medien-gestütztes Thema: Die Zahl seiner Betroffenen wächst unaufhörlich (nachprüfbare exakte Zahlen gibt es aber nicht); die Opfer sind nicht nur die Belasteten selber, sondern auch ihr familiäres, berufliches, ja nachbarschaftliches und sonstiges Umfeld; und die wirtschaftliche Lage, was inzwischen ja am meisten interessiert und als Kostenfaktor sogar offen und öffentlich diskutiert werden darf, könnte bedrohliche Ausmaße annehmen.

Burnout (kurz gefasst: erschöpft verbittert ausgebrannt) ist natürlich ebenfalls so alt wie die Menschheit, man denke nur an das früher so bezeichnete „Elias-Syndrom“ (wer in den einschlägigen theologischen Lexika nach dem Propheten Elias sucht, wird in seiner Biographie so manches finden, was mit der heutigen psycho-physischen Ausgangslage des Burnout zu tun hat). Auch an berühmten Beispielen fehlt es nicht (von Goethe angefangen bis in die hohe Literatur, z. B. bei Thomas Manns Buddenbrooks).

Die Zahl der Publikationen ist nicht mehr zu übersehen; ähnliches droht bei den Bücher-Angeboten (man spricht von über hundert, allein im deutschsprachigen Bereich). Es gibt Kurse, Seminare, Diagnose-, Therapie-, und Präventions-Anweisungen in allen Medien. Burnout ist auch ein Schlagwort geworden, vom verblüfften Mitbürger über die Betroffenen bis zu der wachsenden Zahl von „Trittbrett-Fahrern“ („von da an arbeitete S. hart an seinem Burnout-Syndrom“).

Gleichwohl: Die Lage ist ernst. Initiative und Begriff stammen – wie so oft – aus den USA (geprägt von einem deutsch-stämmigen Psychologen). Die Forschung im angelsächsischen Bereich flaut etwas ab und beginnt dafür in Mittel-Europa langsam Fuß zu fassen (allerdings nach wie vor ohne konkrete, wissenschaftlich fundierte Ergebnisse, weshalb sich APA und WHO nach wie vor erst einmal zurückhalten). Auch soll die ironische Frage aus Forscherkreisen selber nicht verschwiegen werden: „Ist die Burnout-Forschung ausgebrannt?“.

Die Zahl der Betroffenen aber wächst und wächst (jedenfalls verbreiten das nicht nur die Medien, es ist auch der Eindruck der Ärzte und Psychologen im ambulanten Bereich, stationär bisher eher selten). Burnout erweitert auch nicht nur sein geschlechts-, sondern auch alters-typisches Spektrum, und zwar in durchaus bedrohlichem Ausmaß.

Die therapeutischen Erfolge halten sich in Grenzen, so jedenfalls das Geständnis ernst­zunehmender Ärzte und Psychologen, die sich und ihrer Klientel nichts vormachen müssen. Denn die Entscheidung liegt letzten Endes bei der Prävention; doch der Therapeut be­kommt meist nur das End-Ergebnis präsentiert (es gehört nicht zu Lebens-Art und -Kon­zept des Burnout-Betroffenen, rechtzeitig („vorschnell“) ärztliche oder psychologische Hilfe zu suchen).

Deshalb darf man sich ruhig einmal den Begriff „burnout“ vor Augen halten, was dann aber auch gnadenlos bedeutet: ausgebrannt = „da steht kein Stein mehr auf dem anderen, da glimmen nur noch verkohlte Holzbalken vor sich hin“ (Zitat eines Betroffenen). Baulich gesehen müsste man also abreißen und völlig neu aufmauern. Menschlich gesehen ist das natürlich ggf. eine Katastrophe.

Was kann man tun?

Glücklicherweise ist der gefürchtete End-Zustand nur selten der wirkliche End-Zustand; es gibt noch Möglichkeiten, sich wieder zu fangen, zu stabilisieren, aus der destruktiven Vergangenheit zu lernen, neue berufliche, partnerschaftliche, familiäre, durchaus auch „ideell höhere“ Konzepte zu entwerfen und sich – vielleicht auf etwas bescheidener Ebene – wieder neu „im Leben anzustellen, einzuordnen und langfristig vorauszuplanen, besonders was die „psycho-physischen Reserven“ anbelangt. Dazu braucht es allerdings konkrete Informationen: rechtzeitig, eindringlich, lebens-nah, realistisch, d. h. ein machbarer Kompromiss, der nicht nur theoretisch abhebt, sondern auch „die Möglichkeiten und Grenzen eines z. B. (berufstätig gestressten) Familienvaters mit Kindern in der Ausbildung und noch nicht abgezahltem Eigenheim“ respektiert (Zitat).

Wer sich hier informieren will, ist gut bedient – auf den ersten Blick. Nach einer – erstaunlich langen – Latenz-Periode haben die Medien inzwischen das ergiebige Thema für sich entdeckt und „spielen es in allen Variationen rauf und runter“. Völlig Irreführendes findet sich dabei selten, dafür ist das Phänomen Burnout zu breit gefächert, dehnbar, auf alles und jedes anwendbar. Und es fehlt – wie erwähnt – das wissenschaftlich objektivierbare Struktur-Gerippe, Burnout ist ein „freies Feld“. Auch therapeutisch kann man fast nichts falsch machen, Hauptsache, man bleibt bei den gesundheitlichen Ermahnungen bei der Vorbeugung, d. h. in der Regel bei einer gesunden Lebensweise. Und wenn das Burnout in eine konkrete psychische (vor allem psychosomatisch interpretierbare) Erkrankung mit psychosozialen Folgen überzugleiten droht, z. B. eine depressive Störung (früher sehr treffend und hilfreich als Erschöpfungs-Depression bezeichnet), dann halten sich auch die Medien an die bewährte Empfehlung: Suchen sie Ihren Arzt auf. So gesehen wäre man durch die meisten seriösen Medien-Berichte nicht falsch bedient.

Und dann gibt es ja noch – interessanterweise im Gegensatz zu Fachzeitschriften – eine große, eine wachsende Zahl von populär-medizinischen Büchern zum Thema Burnout in allen Belastungs-Kombinationen (Beruf, Familie, Partnerschaft, Lebensweise u. a.). Einige machen es sich arg leicht, andere kommen nicht von ihrem einzigen Ausgangs-Konzept herunter, wieder andere (es gibt auch bei den Autoren Trittbrett-Fahrer) schreiben ständig Bücher zu aktuellen Themen (wobei so mancher Experte seines Faches zumindest von deren eingängigen Stil etwas lernen könnte), kurz: Die literarische Burnout-Flut hat auch in dieser Hinsicht von US-amerikanischen Verhältnissen gelernt, monieren die Kritiker.

Dabei gibt es auch einige wenige wissenschaftlich fundierte (dafür in diesem Punkt fast schon resignierte) Buch-Beiträge, und hier vor allem der deutschsprachige „Klassiker“ des Hamburger Psychologie-Professors Dr. Matthias Burisch: Das Burnout-Syndrom in 3. Auflage 2006 aus dem Springer-Verlag, Heidelberg (Einzelheiten siehe die entsprechende Rezension in dieser Serie).

Zwei neue Burnout-Bücher

Inzwischen liegen zwei weitere Bücher vor, die man sich merken sollte: Zum einen Burnout bei Ärzten (2006) und danach die Burnout-Prävention (2007) von Dr. Thomas M. H. Bergner.

Bergner ist ausgebildeter Dermatologe und Allergologe, früher in eigener Praxis niedergelassen, seit mehr als 10 Jahren erfolgreich als Couch für Führungskräfte, Trainer für internationale Unternehmen und Berater für Medical Consultings tätig. Dass er nicht mehr in einer Praxis absorbiert ist, dafür mehr Zeit für konkrete Beratungen hat (einschließlich des „technischen Rüstzeugs“) ist erst einmal von Vorteil, zumal er ja trotzdem eine ärztliche Grundlage und damit kritische Sichtweise beweist.

Sein 267-Seiten umfassendes Buch über Burnout bei Ärzten macht schon durch seinen Untertitel neugierig, immer wohl erst auf den zweiten Blick voll durchschaubar: Arzt sein zwischen Lebensaufgabe und Lebens-Aufgabe. Die Ziel-Gruppe, bisher eigentlich eine stabile Säule der Gesellschaft, insbesondere ihrer Gesundheits-Erhaltung, ist in den letzten Jahren selber ins Wanken geraten. Die Fach-Zeitschriften sind voll davon, noch nie haben sich die Ärzte so häufig, so intensiv und fast schon verzweifelt mit sich selber beschäftigt wie derzeit. Die Gründe sind zwar vielfältig, doch ein „im Verborgenen lauernder Hauptgrund“ (Zitat) ist das Burnout-Syndrom, wie auch immer man es definiert, klassifiziert (falls überhaupt – s. o.), ob man es ernst nimmt oder nicht. Die drohenden Konsequenzen sind auf jeden Fall bedenklich. Und dies nicht nur, weil die „Ärzteschaft an der Gesundheits-Front“, ob klinisch tätig oder niedergelassen, an ihre seelischen, körperlichen und psychosozialen Grenzen gerät, sondern weil ihre junge Generation sich derlei immer weniger „anzutun gewillt ist“, sprich: ins Ausland abwandert (Schweiz, Österreich, Skandinavien, Niederlande, Irland u. a.). Deutschland bildet also für teures Geld eine neue Mediziner-Generation aus – für das Ausland.

Will man dies ändern oder zumindest bremsen, muss etwas geschehen. Die Politik ist dazu unfähig, manchmal hat man sogar den Eindruck, ihr kommt diese Entwicklung in irgendeiner Form entgegen (man weiß nur nicht so recht, was daran gut sein soll). Von den Patienten kann man nicht viel Hilfe erwarten, schließlich sind sie die Kranken. Sicher hat sich die Anspruchs-Niveau-Klientel z. T. bedenklich erhöht. Aber auch hier ist weder Einsicht, Nachsicht noch Hilfe für die Ärzteschaft zu erwarten; hier wird es aus verschiedenen Gründen (z. B. Alters-Pyramide) in Zukunft sogar noch enger (am engsten allerdings für die Patienten, nämlich uns alle selber!). Es bleibt also eine Aufgabe, die die vom Ausbrennen bedrohten Ärzte selber lösen müssen.

Medice, medice: cura te ipse!
Eine Mahnung aus der Bibel, wenngleich in anderem Zusammenhang, aber doch bezeichnend: „Doktor, Doktor, heile dich selber“ oder etwas freundlicher formuliert: „Doktor, Doktor, denk auch mal an dich selber“.

Ärzte gehören zu jener Berufsgruppe bzw. mehr oder weniger charakteristischen Persönlichkeits-Struktur, die tatsächlich am wenigsten an sich selber denken und schon gar nicht eine Burnout-Diagnose akzeptieren würden. Dabei soll jeder 5. Arzt betroffen sein (8 von 10 sogar unzufrieden mit ihren derzeitigen beruflichen Bedingungen). Wie auch immer, es muss etwas geschehen. Die Ärzteschaft war aber noch nie jene Berufsgruppe, für die sich andere die Köpfe zerbrochen hätten. Der Arzt, gleichgültig in welcher Position, vom Hausarzt nachts bis zum Spezialisten in der Klinik, hat zu funktionieren. Das ist nicht nur Patienten-Egoismus, das ist auch ein Teil seiner durchaus sinnvollen ärztlichen Einfluss-Möglichkeiten ohne konkrete medikamentöse, operative oder sonstige Behandlungs-Maßnahmen (gemäß dem alten Spruch: Der Arzt als Arznei). Wird ein Arzt aber einmal selber krank, herrscht vor allem Erstaunen, vielleicht sogar Fassungslosigkeit (und die bekannte Reaktion: „Jetzt schonen Sie sich aber um Gottes Willen einmal, Herr Doktor! Wann kann ich übrigens den nächsten Termin bei Ihnen bekommen?“).

Dem Arzt also hilft niemand, es sei denn, er hilft sich selber. Ärzte als Therapeuten von Ärzten sind übrigens ebenfalls nicht das Optimum (Einzelheiten siehe das entsprechende Kapitel in dieser Serie).

Hier könnte das Buch von Dr. med. Thomas M. H. Bergner über Burnout bei Ärzten hilfreich sein. Das Informations-Angebot ist umfassend (stellenweise fast zu dicht, aber besser so als das Gegenteil), die Sprache klar (mitunter etwas provokativ, die meisten werden es eher als „erfrischend“ interpretieren), die Fallbeispiele alltags-gerecht, die kritischen Punkte realitäts-nah (vom Medizinstudium über das Honorar-System bis zur Krankenhausstruktur), kurz: eine Anleitung zum Anfassen. Ob der Arzt dadurch aus seiner psycho-physisch-ökonomischen Misere herauskommt, hängt natürlich von vielerlei Faktoren ab, die nicht nur aus einem Buch gelernt werden können. Dafür werden eine Reihe von Einsichten eröffnet, strategischen Überlegungen gebahnt (die meisten Betroffenen haben sich natürlich schon früher ihre Gedanken gemacht) und konkrete Hilfen aufgeführt, auf die man möglicherweise allein nicht gekommen wäre. Damit ist dieses Buch in der Tat eine nützliche Anleitung zur Lebensaufgabe, um die drohende Lebens-Aufgabe zu umgehen.

Neben der gezielten Arzt-Klientel wendet sich der ärztliche Couch Dr. Thomas M. H. Bergner mit seinem Buch Burnout-Prävention einem größeren Leser- (und Bedarfs-)Kreis zu. Dabei hebt er sich schon im Vorwort von jenen Autoren ab, die allzu viel versprechen, die aber wenig zu halten vermögen, was natürlich gerade in der Branche der Gesundheitsbücher nicht selten ist. Was er will, sind Fragen beantworten und Interventionen anregen, um den notwendigen Prozess anzustoßen. Dabei kommt er natürlich auch nicht ohne ein dichtes Selbsthilfe-Programm aus, in diesem Fall mit 27 Tests und 93 Übungen, erläutert auf 276 Seiten mit 26 Tabellen und 18 Abbildungen. Das Buch ist jedoch gut geschrieben, weshalb die schon oben erwähnte, durchaus mühsam werdende Dichte des Angebots immer wieder aufgelockert wird. Vermutlich ist es sogar günstiger, nur bestimmte, individuell interessierende Aspekte herauszulesen. Für Therapeuten, die sich mit Burnout-Patienten beschäftigen müssen, gleich welcher Disziplin (vor allem Ärzte, Psychologen, sonstige psychotherapeutisch Tätige u. a.), empfiehlt sich das Buch nebenbei auch, wobei sie es dann aber konsequent durcharbeiten müssen.

Auf jeden Fall steht mit den beiden Büchern von T. M. H. Bergner ein seriös erweitertes Angebot zur Verfügung, ein wissenschaftlich zwar nicht konkret fassbares, gesellschaftlich aber Besorgnis erregendes (manche sagen schon „verheerendes“) Problem in den Griff zu bekommen, und zwar rechtzeitig, falls man in die richtigen Hände gerät oder hilfreiche schriftliche Anleitungen nutzen kann. Sicher, diese beiden Bücher sind nicht einfach zu studieren, bisweilen zu verstehen und vor allem 1 : 1 umzusetzen. Aber was ist schon einfach in dieser Zeit und Gesellschaft. Und vor allem: Wer sich einmal zu den Burnout-Betroffenen zählen muss, hat ohnehin kaum mehr Alternativen, wenn er wirklich „ausgebrannt“ sein sollte. Glücklicherweise sind die meisten aber „nur angesengt“, also noch nicht bis auf die Grundmauern ihrer seelisch-körperlich-psychosozialen Konstitution niedergebrannt. Da lohnt es sich dann, wenn man an die richtigen Hilfen gerät, auch und vor allem in seriöser Buchform (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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