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Julia Bettermann, Moetje Feenders (Hrsg.):
STALKING
Möglichkeiten und Grenzen der Intervention
Verlag für Polizeiwissenschaft, Clemens Lorei, Frankfurt 2004, 304 S., € 24,90.
ISBN 3-935979-36-3

Stalking - ein schon vom Wort her unangenehm bis unheimlich wirkender englischer Fachbegriff. In regelmäßigen Abständen in den Medien aufgeführt, wobei sich die Spannbreite von der „unzumutbaren Belästigung“ bis zum Prominenten-Mord erstreckt. Etwas, das sich bisher vornehmlich in den USA abgespielt haben soll. Aber unabhängig davon, dass dieses Vorurteil wahrscheinlich nicht haltbar ist, wird man doch besorgt daran denken müssen, dass Vieles, was „drüben“ eine (negative) Rolle spielt, über kurz oder lang auch in Europa, und hier nicht zuletzt in Deutschland um sich greift. Und dazu gehört offenbar auch Stalking. Aber was ist das konkret?

Nachfolgend deshalb eine ausführlichere Darstellung dieses beunruhigenden Entwicklung, die schon seit einiger Zeit auch im deutschsprachigen Raum nicht nur vermehrt registriert, sondern auch beforscht wird, um Möglichkeiten und Grenzen der Intervention auszuloten. So lautete nebenbei auch das Thema einer interdisziplinären (also von verschiedenen Berufsgruppen getragenen) Fachveranstaltung in Hamburg 2004. Daraus entstand ein lesenswerter Tagungsband, in dem erstmalig für Deutschland fachübergreifende wissenschaftliche Erkenntnisse präsentiert werden.

Stalking – was ist das?

In den Medien finden sich in regelmäßigen Abständen Berichte über aufdringliche Fans, die Prominente belästigen. Dann fällt auch das Wort „Stalking“. Doch dieses unangenehme, lästige bis bedrohliche Phänomen umfasst ein viel größeres Spektrum, und zwar nicht nur an Motiven und Belästigungsformen, sondern auch an (nicht-prominenten) Opfern.

In den USA ist Stalking seit den 80er-Jahren einer bereiteren Öffentlichkeit bekannt, beginnt eine der beiden Initiatorinnen und Tagungs-Vorsitzenden sowie Herausgeberinnen (s. o.), nämlich die Sozialpädagogin Julia Bettermann ihr lesenswertes Kapitel. Und weiter: Durch den Mord an einer bekannten Schauspielerin und weiteren nicht-prominenten Frauen kam es 1990 zur Verabschiedung erster Anti-Stalking-Gesetze. In Deutschland rückt dieses Problem erst langsam in das Bewusstsein der Bevölkerung, im Grunde ist es noch nahezu unbekannt. Lediglich Juristen und Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter müssen sich gelegentlich damit befassen.

Doch Stalking ist natürlich keine neue Erscheinung. Wahrscheinlich - wie so vieles, was erst heute erforscht und damit der breiten Öffentlichkeit überhaupt zugänglich ist - ist es so alt wie die Menschheit. Täter und Opfer gibt es seit Anbeginn.

Der Begriff Stalking

Stalking kommt vom englischen „to stalk“. Es leitet sich aus der Jägersprache ab und bedeutet „pirschen, anschleichen oder das Einkreisen der Beute“. Für viele „Betroffene“ werden auch begriffliche Nebenbedeutungen zur schmerzlichen Realität, nämlich „in einer bedrohlichen Weise mit langsamen, steifen Schritten gehen“, oder „sich schweigend und bedrohlich bewegen, wie z. B. Angst, die durch die Stadt zieht“ u. a. (V. Pechstaedt, 1999).

Wie häufig ist Stalking?

In einer US-amerikanischen Studie kommt man zu dem doch erschreckenden Ergebnis, dass 8% aller Frauen irgendwann in ihrem Leben einmal Opfer massiver(!) Stalking-Attacken geworden sind, also letztlich etwa jede Zehnte. Bei Männern findet sich das sehr viel seltener, nämlich in 2%. Werden aber auch leichtere Formen berücksichtigt, steigt naturgemäß das Vorkommen: Nun berichten bereits 24% der Frauen und 11% der Männer über wiederholte Belästigungen und Bedrohungen (oder leichter zu merken: jede vierte Frau und jeder zehnte Mann). Das ist alarmierend. Tendenz offenbar steigend.

Der Stalking-Experte und Mitarbeiter der „Arbeitsgruppe Stalking“ der TU Darmstadt, der Psychologe Jens Hoffmann ist aufgrund der bisherigen Erkenntnisse in Deutschland (es existieren noch keine verlässlichen Werte hierzulande) der Meinung, dass sich diese Zahlen der USA auch auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen. Das wären - um es noch einmal zu wiederholen - jede vierte Frau und jeder zehnte Mann...

Zur Definition des Stalkings

Um ein Phänomen wissenschaftlich bearbeiten zu können, muss es definiert und klassifiziert werden. Das ist umso schwieriger, je vielschichtiger es angelegt ist, z. B. nach Alter, Geschlecht, Persönlichkeit, Stand, Zivilstatus, äußerer Eindruck, Beruf, Arbeitsweise, Bekanntheitsgrad, nach sonstigen gesellschaftlichen Bedingungen - und im Falle zwischenmenschlicher Aktionen auch noch von beiden Seiten, hier Opfer und Täter. Da kann es nicht ausbleiben, dass es mehrere Definitionen und verschiedene Ansatzpunkte gibt. Nachfolgend dazu einige Beispiele zum Thema Stalking:

So wurde Stalking u. a. definiert als das „beabsichtigte, böswillige und wiederholte Verfolgen und Belästigen einer Person, das deren Sicherheit bedroht“. Das ist die Zusammenfassung der gesetzlichen Stalking-Definitionen, die beispielsweise in den USA auch noch von Staat zu Staat variieren. Die wichtigsten Verhaltensweisen dazu aber sind

- - die aus wiederholter körperlicher Nähe (Verfolgen) und/oder fortwährenden Bedrohungen bestehen

- - die mindestens zweimal vorgekommen sind

- - die explizite wie auch implizite Drohungen mit einschließen (also ausdrücklich bzw. irgendwie einbegriffen, mitenthaltend)

- - die gegen eine Person oder deren Familienmitglieder gerichtet sind und

- - die bei dem Opfer und/oder dessen Familie starke Furcht hervorrufen (U.S. Departement of Justice 1998).

Diese Definition leuchtet ein, muss aber nicht immer zutreffen, gibt J. Bettermann aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse zu bedenken: z. B. die Frage, ob der Täter überhaupt erfasst, welche Angst er beim Opfer auslöst. Und ob das „mindestens zweimal“ überhaupt von Bedeutung ist. Und wo liegt der Übergang zwischen Stalking und möglicherweise „nur“ lästigen (etymologisch von Belastung kommend) Verhaltensweisen? Hier spielt auch das subjektive Erleben der Opfer eine Rolle (fachlich als „Zielpersonen“ bezeichnet, wobei sich der eine rascher als der andere zum „Opfer“ erklären mag). So definieren sich Männer im Vergleich zu weiblichen Betroffenen seltener als Opfer.

So gesehen schlagen die Wissenschaftlicher einen Kompromiss vor zwischen juristischem, kriminologischem, psychologischem und psychopathologischem (psychiatrische Krankheitslehre) Verständnis. Damit ist Stalking eine Verhaltensweise, die sich dadurch auszeichnet, dass sie

--auf die Beeinträchtigung des Verhaltens einer anderen Person abzielt,
--vom Geschädigten als unerwünscht oder belästigend wahrgenommen wird und
--beim Geschädigten Angst, Sorge oder Panik auslöst (nach H.-G. Voß u. J. Hoffmann, 2002).

Gibt es eine Täter/Opfer-Beziehung?

In den meisten Stalking-Fällen besteht offenbar eine Beziehung zwischen Täter und Opfer. Beispiele: Ex-Partner, Nachbar, Arbeitskollege, immer häufiger auch behandelnder Arzt oder Psychologe. Die Beweggründe der Täter sind nicht einheitlich (siehe später). Auch das Spektrum möglicher Verhaltensweisen ist weit. Man unterscheidet zwei Haupt-Verhaltenskomplexe (nach R. Löbmann, 2002), nämlich mildes Stalking/milde Belästigung und schweres/gewalttätiges Stalking.

Zu den milden Formen zählen Briefe, Telefonanrufe sowie stetiges Beobachten und Verfolgen.

Die schweren oder gar gewalttätigen Verhaltensweisen gehen von ausdrücklichen verbalen Beschimpfungen über Gewaltandrohungen bis hin zu tätlichen Übergriffen.

Allerdings - das sei hier noch einmal wiederholt und durchzieht praktisch alle Studienergebnisse und Definitionsvorschläge -, damit ist noch nicht die Psychodynamik der Täter-/Opfer-Beziehung erfasst, die wohl sehr individuell auf dieses „ungute Verhältnis“ abgestimmt ist.

Ähnlich - so J. Bettermann - verhält es sich auch mit den unterschiedlichen typologischen Modellen für Täter. Sie bewähren sich immer dann, wenn man einen Ausgangspunkt für die Bewertung eines Falles zu erhalten versucht, müssen dann aber nach der individuellen Persönlichkeitsstruktur und Situation korrigiert werden (J. Hoffmann, 2002).

Stalker-Strategien

Stalker gehen nicht nur frontal vor. Oft nutzen sie auch andere Menschen oder Institutionen, um mit ihrem Opfer in Kontakt zu treten bzw. ihre Belästigungen fortsetzen zu können. So werden beispielsweise Waren im Namen der Opfer bei Versandfirmen bestellt. Oder es wird der Strom abgestellt. Oder man versucht Kontakte zur Familie des Opfers zu knüpfen. Auch Kirche, Arztpraxen, Gerichte, Überwachungsfirmen, Autoverleihe u. a. werden von Stalkern „instrumentalisiert“. Das ist zum einen reine Strategie, zum anderen der Versuch, sich über eine scheinbare Legitimation (Berechtigung) Zugang zu erzwingen.

Was ist Stalking – was ist Mobbing?

Mobbing („die kleine Gemeinheit zwischendurch“) gehört inzwischen zum Standard-Wortschatz eines Jeden. Dieser Vorwurf - so alt wie die Menschheit - wird heute recht wohlfeil benützt bis missbraucht. Dass sich das Mobbing immer mehr ausbreitet, ist allerdings unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen tatsächlich kein Thema mehr. Deshalb drängt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage auf: Gibt es Parallelen zwischen Stalking und Mobbing und wie lassen sich beide Negativ-Phänomen abgrenzen?

In beiden Fällen wird das Opfer durch den Täter beunruhigt, belästigt und benachteiligt.

Stalking aber bezieht sich vor allem auf den Privatbereich (wenngleich nicht ausschließlich, immer mehr Opfer werden auch inzwischen am Arbeitsplatz belästigt). Mobbing konzentriert sich in der Regel auf den Arbeitsplatz.

Im Weiteren muss Mobbing laut gängiger Definition über einen längeren Zeitraum laufen (ein halbes Jahr oder länger, mindestes aber einmal pro Woche). Stalking dagegen kann eine einmalige Sache bleiben, auch wenn dies leider nur selten ist.

Beim Mobbing können mehrere Personen eingebunden sein (mehrere MitarbeiterInnen mobben einen Kollegen/eine Kollegin). Beim Stalking gibt es in der Regel nur einen Täter.

Auch die Motivation zur Tat ist unterschiedlich. Stichworte: Arbeitsplatz/Person.

Beim Mobbing besteht die Möglichkeit, mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes die Belastung zu beenden. Stalking hingegen endet häufig nicht mit dem „Wechsel des Lebensmittelpunktes“.

Körperliche Gewalt oder gar Tötungsversuche/Tötung sind beim Mobbing kaum zu beobachten. Beim Stalking hingegen ergaben britische Untersuchungen, dass jeder vierte belästigte/bedrohte Mann und jede fünfte Frau davon berichten, dass körperliche Gewalt im Spiel war.

Wann beginnt Stalking – wann endet häusliche Gewalt?

Als häusliche Gewalt bezeichnet man Auseinandersetzungen unter Partnern, die in der Regel unter einem Dach wohnen. Beim Stalking sind es zumeist Fremde oder zumindest ehemalige nahe Bekannte/Partner. Angesichts der wachsenden partnerschaftlichen Auseinandersetzungen in unserer Zeit und Gesellschaft stellt sich die Frage: Wann beginnt Stalking und wo endet häusliche Gewalt?

Manche Wissenschaftler setzen eine eindeutige Zäsur: Von Stalking redet man bei entsprechenden Taten, wenn die partnerschaftliche Beziehung beendet ist (zur Erinnerung: ehemalige Partner/Eheleute und hier vor allem Männer, sind beim späteren Stalking nicht selten beteiligt). So stellte man beispielsweise fest, dass die Gewaltrate in der Gruppe der Ex-Partner 50% übersteigt (und die Tötungsrate in Stalking-Fällen unter ehemaligen oder gegenwärtigen Partnern bei knapp 0,25% liegt, d. h. eine von mindestens 400 Fällen, was sich vielleicht zahlenmäßig nicht sehr eindrucksvoll ausmacht, für die Betroffenen aber kein Trost ist). Denn umgekehrt wird das Problem schon deutlicher: Frauen, die von einem gegenwärtigen oder ehemaligen Partner getötet wurden, erlebten zwischen 23 und 90% im Vorfeld dieser Beziehung Stalking-Attacken.

Außerdem macht die alte Erkenntnis nachdenklich: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein gewalttätiger Partner mit dem Ende der Beziehung schließlich seine missbräuchlichen Übergriffe einstellt, ist gering. In der Realität wird er vielmehr neue Wege suchen, um sein aggressives Verhalten fortzusetzen, einschließlich einer möglichen Steigerung der Gewalt. Faktoren, die hier eine gewichtige Rolle spielen, sind beispielsweise die Art und Dauer der vorausgegangenen Beziehung, mögliche gemeinsame Kinder, Art und Dauer der häuslichen Gewalt (einschließlich frühere polizei­liche und gerichtliche Interventionen) u. a. (nach A. Baldry, 2002).

Stalking – Möglichkeiten und Grenzen der Intervention: eine Übersicht

Stalking ist also ein altes Phänomen, das aber an Bedeutung gewinnt, zumindest aus wissenschaftlicher Sicht. Und das ist gut so, vor allem für die Opfer. Ähnlich wie in der inzwischen kräftig angelaufenen Forschung bezüglich der posttraumatischen Belastungsstörung nach Extrembelastungen aller Art, die ebenfalls so alt ist wie die Menschheit, aber jetzt erst den Opfern und ihrem Leid gerecht wird und etwas mehr Unterstützung zukommen lässt, wird auch Stalking immer besser untersucht: kriminologisch, psychologisch, gesellschaftspolitisch, psychiatrisch u. a. Der Sammelband Stalking - Möglichkeiten und Grenzen der Intervention aus dem Verlag für Polizeiwissenschaft (2004) bietet in der Tat ein umfassendes Informationsangebot, wie es bisher in deutscher Sprache nicht verfügbar war. Nachfolgend einige Beispiele wie sie die Herausgeberin Julia Bettermann in ihrem einführenden Beitrag skizziert:

Die Auswirkungen von Stalking auf ihre Opfer sind natürlich sehr unterschiedlich, von (scheinbarer) Gleichgültigkeit bis zu panischer Angst und verheerenden Konsequenzen. Doch zählen diese seelischen Verletzungen zu den schwerwiegendsten Folgen einer Straftat, denn sie können das Opfer weit über seine unmittelbare Behelligung hinaus verfolgen, quälen, in seinen Lebensbezügen einengen oder gar zu einem totalen (Sicherheits-)Rückzug veranlassen. Beispiele: gemindertes Selbstvertrauen, Angst- und Vermeidungsverhalten, Erinnerungslücken (die Delikte betreffend), Antriebsarmut, Schlafstörungen, Albträume u.a.m. Dazu mehr in einem eigenen Kapitel dieses Buches.

Hilfreich für das grundlegende Verständnis von Stalking sind psychologische Erklärungsansätze. Hier geht es vor allem um die individuelle Persönlichkeitsstruktur, ihre Entwicklung, ihre Schädigungen - und zwar vom Täter. Dazu Überlegungen zu Bindungs-, Objekt- sowie psychodynamischen Theorien einschließlich psychopathologischer Aspekte.

Eine bedeutsame Rolle in der Kriminal-Prävention (Vorbeugung krimineller Taten) und insbesondere des Opferschutzes spielen die Risiko-Analysen und damit Gefahren-Prognosen. Oder auf Deutsch: Welche Faktoren führen ggf. zu einem erhöhten Gefährdungs-Potential (Stichwort: Eskalation = Ausweitung, Verschärfung, Steigerung oder Ausdehnung, in diesem Falle einer kriminellen Gefahr).

Dabei geht es vor allem um vier Risikobereiche des Stalkings, nämlich 1. die Eskalation bis hin zu körperlichem oder sexuellem Missbrauch, 2. die Länge der Belastung, 3. die Wiederkehr von Belästigungen nach dem scheinbaren Ende sowie 4. starke seelische und psychosoziale Schädigungen als Langzeitfolgen.

Risiko-Stufenplan

Die Wissenschaft ist dabei, einen Stufen-Plan zu erstellen, anhand dessen die Risiken erfasst, die Einzelfälle beurteilt und angemessene Management-Strategien entwickelt werden können.

Täter und Opfer können in ganz unterschiedlichen Beziehungen zueinander stehen. Eine solche Täter-/Opfer-Konstellation ist beispielsweise zu berücksichtigen beim Ex-Partner, ehemaligen Intimpartner, bei Nachbarn, Bekannten, Freunden und Arbeitskollegen, aber auch bei Kunden, Klienten, Patienten, Schülern u. a. In den bisherigen vorliegenden deutschen Untersuchungen gaben rund die Hälfte der erfassbaren Geschädigten an, von einem ehemaligen Partner „gestalkt“ (ein neues Verb?) zu werden.

Doch aufmerksam werden die Menschen erst durch die Medien und diese in der Regel dann, wenn es sich um ein prominentes Opfer handelt („Psychoterror“). Dabei kann es sogar zu dramatischen Tötungsversuchen kommen (zumeist prominente Schauspielerinnen und Sportlerinnen). Solch ein Ereignis wirbelt viel Staub auf - nützt aber dem Opfer wenig, im Gegenteil. Interessant deshalb ein eigener Beitrag in diesem Buch über Vorkommen, Bedeutung und Ausprägung des Prominenten-Stalkings einschließlich verschiedener Tätertypen, die gerade hier zu beobachten sind.

Spielt Stalking auch bei lesbischen Beziehungen eine Rolle? Homosexuelle Motivationen scheinen bisher erstaunlich selten zu sein, auch und vor allem im lesbischen Bereich. Doch das muss man differenzierter sehen und kann inzwischen sogar auf eine Typologie von StalkerInnen im Zusammenhang mit lesbischen (Ex-)Beziehungen verweisen.

Rechtsschutz

Im Gegensatz zu den USA, zu Großbritannien und Australien gibt es in Deutschland keinen eigenen Tatbestand, der Stalking unter Strafe stellt. Trotzdem gibt es einen Rechtsschutz und damit die Möglichkeit, straf- und zivilrechtlich gegen Stalker vorzugehen. Leider wird die Bedeutung vieler Stalker-Fälle erst durch die wiederholten Delikte des Täters sichtbar. Oder konkret: Da muss erst viel Leid ertragen werden, bevor sich ein Straftatbestand als erfüllt erweist (oder sich zumindest an der Grenze bewegt).

Ab 01.01.2004 trat im Rahmen des Aktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen das „Gewaltschutzgesetz“ in Kraft. Damit kann ein Zivilgericht nach § 1 II Nr.2b GewSchG in Fällen der unzumutbaren Belästigung zivilrechtliche Maßnahmen zum Schutze des Opfers anordnen, durch die es dem Täter z. B. untersagt, sich dem Opfer zu nähern. Eine Zuwiderhandlung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet. In einem eigenen Kapitel geht es um konkrete Beispiele, bei denen strafrechtlich erfolgreich interveniert wurde („ein winziger Schritt in eine immerhin richtige Richtung“).

Möglichkeiten und Grenzen polizeilicher Intervention

Da stellt sich die Frage, wie steht es überhaupt um polizeiliche Interventions-Möglichkeiten? Für die Polizei sind drei Aspekte relevant: 1. die zunehmende Verbreitung des Phänomens in der Bevölkerung, 2. die immense psychische Belastung der Geschädigten sowie 3. das Risiko körperlicher Gewalt (Tendenz steigend!).

Über die konkreten Möglichkeiten bis hin zur Optimierung polizeilichen Schutzes wird in zwei Beiträgen berichtet, wobei es offenbar positive Schwerpunkte (z. B. Bremen) und leider auch Beispiele mangelhafter Einfühlung, Gleichgültigkeit oder unzureichender Kenntnisse bzw. Mittel in polizeilicher Hinsicht gibt.

Selbsthilfe – Internet – rechtsmedizinische Beratung

Da käme eine effektive Selbsthilfe gerade recht. Doch auch hier gibt es bisher nur wenige Selbsthilfegruppen (z. B. Bremen). Erfolgreich ist dagegen die Internet-Plattform www.stalking-forum.de mit entsprechenden Diskussionsbeiträgen (in dem beispielsweise das Gewaltschutzgesetz aus der Sicht der Betroffenen kritisch hinterfragt wird). Hier hilft das Internet übrigens der Wissenschaft, in dem es das Expertenwissen aus „erster Hand“ ergänzt.

Manchmal scheut man sich, die Polizei einzuschalten, fürchtet die Konsequenzen (z. B. Verhöre, Beweissicherung). Erfolgreich ist deshalb in Hamburg die kostenlose Möglichkeit des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätskliniken, im Falle schwerer körperlicher Gewalt die Verletzungen, damit Spurensicherung und Begutachtung dokumentieren zu lassen. Das ist auch ohne die Notwendigkeit einer Anzeige möglich.

Schließlich finden sich in diesem interessanten Sammelband auch Aspekte, die dem Vorwurf der Einseitigkeit begegnen und sicher auch nach sorgfältiger Klärung objektiv diskutiert werden müssen, um Fehler zu vermeiden, die vor allem in der öffentlichen Debatte angeheizt werden. Beispiele: Verständnis für den Täter (als Ex-Partner) und sogar für männliche Opfer häuslicher Gewalt, was eine geschlechts-übergreifende (Stalking-)Beurteilung nahe legt.

Schlussfolgerung

Stalking ist ein Phänomen, das auch in Deutschland immer mehr um sich greift. Das heißt: Forschung, Abklärung, Aufklärung, Verfeinerung der kriminologischen und polizeilichen Verfahren, Selbsthilfe und ggf. Therapie.

Dieses Buch - das erste seiner Art in deutscher Sprache - wird dabei eine große Hilfe sein. Man sollte es sich leisten, angesichts des in diesem Rahmen schon so oft angeführten Sinnspruchs: Wissen ist Macht, Macht zu helfen. So wie es in unserer Zeit und Gesellschaft aussieht, wird es nötig sein (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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