David G. Myers:
PSYCHOLOGIE
Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2005. 1.029 S., 742 Abb. in Farbe, € 39,95.
ISBN 3-540-21358-9
„Erleben Sie die Psychologie! Kommen Sie mit auf unsere Reise durch die Psychologie. Begegnen Sie spannenden Fachgebieten, Höhen der Wissenschaft, interessanten Persönlichkeiten, fremden Kulturen, eigenen Erfahrungen.
Information: So viel und aktuell wie möglich. Nur hier: Alle Grundlagenfächer, aktuelle Ansätze aus Neurowissenschaften und Verhaltensgenetik und die drei großen Anwendungsfächer: Klinische Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Pädagogische Psychologie.
Lernen: Leicht gemacht. Didaktik zugeschnitten auf leichtes Lernen und Behalten, mit Merksätzen, deutsch-englischem Glossar, Zusammenfassungen, Prüfungsfragen und -antworten.
Denken: Do it yourself: Denkanstöße, Kontroversen, Übungen: Wenden Sie Ihr Wissen an! Wo ist Ihnen ein Phänomen in Ihrem Alltag schon begegnet? Was würden Sie als Psychologe in Forschung und Praxis tun?
Lachen erwünscht: Comics, kluge Sprüche und Zitate; Psychologie auf den (witzigen) Punkt gebracht. Über 700 Abbildungen und Comics!
Studieren Sie Psychologie als Haupt- oder Nebenfach oder gehören Sie zu denen, die schon immer einmal wissen wollten: Was machen die Psychologen da eigentlich?
Der „Myers“ ist Ihr Einstiegsbuch in die Psychologie! Außerdem Website zum Buch mit umfangreichen Lernmaterialien, weiterführenden Links u. v. m.“
Wer da nicht fasziniert ist und zugreift (und das für einen durchaus günstigen Preis), dem ist nicht (mehr) zu helfen. In der Tat: Das ist Werbe-Psychologie auf höchstem Niveau. Und zwar auf der 4. Umschlagsseite des mehrere Pfund schweren großformatigen Lehr- und Lernbuches selber. Also ein Fachbuch. Darf für wissenschaftliches Lehrmaterial so direkt geworben werden?
Zum einen: Myers Psychologie ist US-amerikanischer Stil. Also darf (muss?) man dies auch in die Werbung einbringen - mit allen Versprechungen, die die Werbe-Psychologie uns inzwischen zur Rezipienten-Pflicht macht. Außerdem - geben wir es zu -, wir haben uns daran gewöhnt, weniger würde inzwischen bei uns „durchfallen“, vieles interessiert uns auch und macht regelrecht Spaß.
Aber ein wissenschaftliches Lehrbuch, darf das so auftreten? Da mögen die Meinungen auseinander gehen, wobei sich der Graben vor allem generationsmäßig teilt. Ältere sind ggf. irritiert, jüngere fühlen sich eher angesprochen.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der diese Art von Anpreisung rechtfertigt: wenn die gebotene Leistung stimmt. Und das ist beim „Myers“ der Fall. Es ist so aufgebaut und bietet das, was die Werbung anpreist (das ist nicht die Regel).
Damit aber zurück zum Thema: Darf ein Lehrbuch so „aufgemacht“ auftreten? Unseres Erachtens darf es das, wenn es seinen (Lehr-)Zweck erfüllt, d. h. den erwünschten Lern-Erfolg sicherstellt. Schlussfolgerung: Die Lehr-Faszination und damit der Lern-Anreiz können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und das dürfte nur möglich sein, wenn der Lernstoff unterhaltend dargeboten wird.
Und hier sind die Angelsachsen, vor allem aber die US-Amerikaner Meister - unerreicht. Sie brachten schon „bunte“ Lehrbücher auf den Markt, als bei den unseren noch der Staub aus den Einbänden rieselte. Inzwischen haben auch die Europäer aufgeholt, vor allem die deutschen Herausgeber und Lehrbuch-Autoren. Aber ganz so spektakulär bunt (abschätzige Bemerkung: „Walt Disney lässt grüßen…“) sind bisher eigentlich nur die Übersetzungen. Ein Musterbeispiel dafür ist der „Myers“.
Dieses Lehrbuch - so der Autor in seinem Vorwort zur 7. amerikanischen Auflage - wird alle drei Jahre neu aufgelegt. Und weiter: „Doch auch in der Zeit zwischen den Auflagen vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht neues Wissen über das Feld, das mir am Herzen liegt, und dessen Anwendung auf das tägliche Leben ernten kann. Allwöchentlich stoße ich auf Informationen über neue Entdeckungen (…) Ein heißes Thema ist auch die Macht der Intuition, aber auch die damit verbundenen Gefahren, oder die Frage, was Optimismus eigentlich ist und was er bewirkt. Kein Wunder also, dass dieses Buch sich dramatisch verändert hat seit dem Moment, als ich mich vor 20 Jahren an die Arbeit zur 1. Auflage machte. Heute interessiert sich die wissenschaftliche Psychologie besonders für die Wechselwirkung von Anlage und Umwelt und für geschlechts- und kulturspezifische Unterschiede; sie bemüht sich um Verständnis für die Macht der Denkprozesse und versucht, Schritt zu halten mit der Revolution im Bereich der Neurowissenschaften. Wir haben auch nach neuen Wegen für die Darbietung der Informationen gesucht, sowohl im Buch als auch in den elektronischen Medien.
Meine anfängliche Vision dieses Lehrbuchs zur Psychologie hat sich indessen von der 1. bis zur 7. amerikanischen Auflage nicht verändert: ein Buch zu schreiben, das sich im strengen Rahmen der Wissenschaft bewegt, gleichzeitig jedoch eine breit gefasste Sicht auf den Menschen bietet und damit Herz und Hirn anspricht (…) Es ist mir ein Bedürfnis, die Studierenden auf ihrem Weg zum Verständnis der wichtigen Phänomene ihres Lebens helfend und erklärend zu begleiten und sie das Staunen zu lehren (…) Es ist meine Überzeugung, dass das Studium der Psychologie dazu befähigt, der Intuition die Zügel des kritischen Denkens anzulegen, Rechthaberei durch Einfühlung abzumildern und Selbsttäuschungen mit Verständnis zu begegnen.
Ich halte es mit Thoreau, der sagte, dass „alles Lebendige sich mühelos und ungekünstelt in normaler Sprache ausdrücken lässt“, und versuche deshalb, das akademische Wissen der Psychologie mit spannenden Berichten und lebendigen Geschichten aufzulockern.“
Und dann ein Konzept, dass sich in unserer Zeit und Gesellschaft kaum mehr findet, sehr zu Lasten der „erfrischenden Lesbarkeit“ mit nachfolgendem Lern-Eifer und vor allem Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen, die uns der Alltag bietet. Und deshalb der Autor in seinem Vorwort: „Ich bin der alleinige Autor dieses Buches und versuche deshalb, die Geschichte der Psychologie einerseits streng wissenschaftlich, andererseits aber auch aus meinem persönlichen Empfinden heraus darzustellen“. (Wo gibt es noch den alleinige Autor eines Lehrbuchs in einer wissenschaftlichen Disziplin, die inzwischen aus Dutzenden von Sub-Disziplinen besteht, von denen sich nebenbei einige auch mal kräftig beharken.) Und weiter: „Ich mache mir sehr gerne Gedanken darüber, in welcher Beziehung die Psychologie zu anderen Wissensbereichen steht, beispielsweise zu Literatur, Philosophie, Geschichte, Sport, Religion, Politik oder Populärkultur“. (Also das, was man früher einen Polyhistor nannte, einen in vielen Fächern bewanderten, auf jeden Fall aber interessierten Gelehrten und deshalb suspekt allen Experten, die definitionsgemäß immer mehr über immer weniger wissen.)
Und am Schluss etwas, dass erst in letzter Zeit (wieder-)entdeckt wird: Freude, Spaß (und zwar nicht nur im primitiven Sinne unserer (jungen) Generation), Humor und damit Schmunzeln, Lächeln oder gar befreiendes Lachen - und zwar als Motor sinnhaften Lernens. Was verspricht und also der Autor: „Und es macht mir Spaß, andere zum Nachdenken zu bringen, ich spiele gern mit Worten und ich lache gerne“.
Unsere Schlussfolgerung: Wir haben uns sagen lassen, dass so manche in der englischsprachigen Literatur bewanderte Psychologen deutscher Zunge seufzend auf die amerikanischen Auflagen des „Myers“ geschaut hätten, einfach um sich auch einmal „in Deutsch erbauend fachlich weiterzubilden“. Jetzt können sie es auch in der Übersetzung. Unseres Erachtens übrigens nicht nur Psychologen, denn es ist, wie gesagt, „schwere Kost, aber leicht verpackt“ - und deshalb letzten Endes auch für einen breiteren Interessenkreis bekömmlich. Und daher lässt sich diese Besprechung mit einem Satz abschließen, der im Grunde für ein Lehrbuch undenkbar ist (wäre): Wir wünschen viel Vergnügen (VF).
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