R. J. Comer:
KLINISCHE PSYCHOLOGIE
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin 2001
2. überarbeitete deutsche Auflage, herausgegeben von Gudrun Sartory
656 S., zahlreiche Abb., € 49,95. ISBN 3-8274-0592-0
US-amerikanische Lehrbücher faszinieren nicht nur durch ihre inhaltliche, sondern auch didaktische Praxisnähe. Es ist einfach eine Freude, aus ihnen zu lernen. Und es ist ja auch nicht verboten, selbst beim Lernen etwas Freude zu empfinden, zumal es den Lerneffekt verbessert. Deutschsprachigen Herausgebern und Autoren war dies lange Zeit suspekt. Fast hatte man den Eindruck, Lernen ohne Mühsal sei nicht akzeptabel, fast unseriös. Inzwischen wird auch hierzulande umgedacht, aber nicht so sehr aus Überzeugung, eher unter dem Druck der erfolgreichen Übersetzungen aus amerikanischen Verlagen. Das vorliegende Lehrbuch über die Klinische Psychologie ist so ein Beispiel.
Es beginnt schon mit der Widmung (für C. W., die mit kluger Umsicht und Charme dieses Buch gelotst hat) – irgendwie erfrischend. Dann die alte Erkenntnis: Ein attraktiver Vorlesungsstil kann auch einem Lehrbuch nicht schaden. So auch hier („verfolge ich das Ziel, auf eine aufschlussreiche, provokative und gewinnende Art das Tor zu diesem wichtigen Gebiet ... aufzustoßen„). Natürlich muss ein amerikanisches Lehrbuch auch an mitteleuropäische Verhältnisse angepasst werden. Das ist geschehen – und gelungen (so wurden insgesamt 1.500 Literaturzitate aus den Jahren 1998 bis 2000 eingefügt). Außerdem wird durch ein solches Werk der zunehmenden Globalisierung (psychologischer) Forschung und Berufsgruppen Rechnung getragen (z.B. durch die Verwendung englischer Fachbegriffe mit fundierter Erklärung).
Der Aufbau entspricht einem üblichen Lehrbuch, Inhalt und Form sind allerdings typisch amerikanisch und damit – wie erwähnt – lesefreundlich, spannend, auch einmal provokativ, aber immer konstruktiv und vor allem praxisnah. Der „seriöse„ deutsche Leser mag so manches „grenzwertig„ finden, bei einigem Nachdenken aber wird er zugeben müssen: Das sind konkrete Hilfen für den Alltag in Klinik und Praxis. Das beginnt schon auf Seite 2 mit dem Exkurs: Berühmte Menschen, die an psychischen Störungen litten. Gehört das in ein Lehrbuch? Theoretisch nicht, praktisch aber sehr wohl. Wenn der arme Depressive, Maniker, Angstpatient, Alkoholkranke, Essgestörte u.a. liest (bzw. von seinem Arzt oder Psychologen hört), in welch illustrer Gesellschaft er sich trotz allem Leids bewegt bzw. wie viele Große aus allen Fachgebieten unter seelischen Störungen zu leiden hatten und trotzdem Bedeutendes zu leisten vermochten, dann ist das ein Trost, den nur diejenigen abschätzen können, die solche Patienten behandeln müssen.
Und so geht es weiter, nicht nur mit Exkursen spannenden Inhalts, auch mit dem Bildmaterial einschließlich Cartoons und Witzen, gut gegliedert, lese- und rezipienten-freundlich aufgemacht, von allem etwas, nirgends ausufernd, keine eigenen Spezialitäten egoistisch vertiefend (ein charakteristischer Schwachpunkt früherer Lehrbücher mit einem einzigen „Autoritäts-Autor„!) und dies alles ohne aufgeregtes Layout, wie das neuerdings „moderne„ deutsche Lehrbücher auszeichnet, die in einer Art Kipp-Reaktion ihre angelsächsischen Vorbilder überholen wollen.
Gigantisch – wie erwähnt – das (überwiegend englischsprachige) Literaturverzeichnis. Sehr nützlich ein ausführliches Glossar (kleines Lexikon). Informativ ein umfangreiches Namens- und vor allem Sachverzeichnis zur raschen Orientierung.
Der Preis ist günstig, so dass man sich dieses psychologische Lehrbuch neben einem psychiatrischen gönnen sollte. Dann ist man wirklich auf dem Gebiet der gesamten Seelen(heil)kunde abgesichert (VF).
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